Jesus Christus ist der Herr! Phil 2, 11

Das gemauerte Obergemach

Ein aufrichtiger Wunsch

Während der Zeit, als die Könige über Israel herrschten, offenbarte sich der Herr Seinem Volk vornehmlich durch Propheten, ausgewählte Männer, die Seinen Willen verkündeten; die Israeliten hörten jedoch nicht auf die Propheten – die meisten töteten sie gar (vgl. Mt 23, 29–39). Es gab nur wenige, die sich dem Wort Gottes öffneten. Vor diesem Hintergrund verdienen folgende Worte besondere Beachtung: 8 Und es geschah eines Tages, da ging Elisa nach Sunem hinüber; und dort war eine wohlhabende Frau, und sie nötigte ihn, bei ihr zu essen 2. Kön 4, 8. Die Gegenwart des Mannes Gottes 2. Kön 4, 9, des Propheten Elisa, war dieser wohlhabenden Sunamitin so wertvoll, dass sie ihn nötigte, bei ihr zu essen. Dabei ging es ihr jedoch nicht darum, in den Genuss eines von ihm gewirkten Wunders zu kommen oder sich in irgendeiner Weise seine göttliche Vollmacht zu Nutze zu machen, wie 2. Kön 4, 13 zeigt. Nein, die Gegenwart desjenigen, der mit göttlicher Autorität ausgestattet war, war das, was sie suchte; sie wollte einfach Gemeinschaft mit ihm haben, weil er ein Mann Gottes war.

Wie schön spricht das doch von denen, die aufrichtig zum Herrn Jesus kommen: Sie suchen nicht, Seine Kraft für sich nutzbar zu machen oder mit Seiner Hilfe ein eigenes Ziel zu erreichen. Sie sind nicht an dem interessiert, was Er für sie tun könnte, sondern an Ihm selbst, an der Gemeinschaft mit Ihm – weil Er der wahre Mann Gottes ist: Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe; ihn hört Mt 17, 5. Es genügt ihnen völlig, wenn Sie Zeit in Seiner Nähe verbringen dürfen; es ist alles, was sie begehren. David, der Mann nach dem Herzen Gottes (Apg 13, 22), drückte dies wie folgt aus: 11 Denn ein Tag in deinen Vorhöfen ist besser als sonst tausend; ich will lieber an der Schwelle stehen im Haus meines Gottes, als wohnen in den Zelten der Gottlosen Ps 84, 11.

Der Herr Jesus wird den aufrichtigen Wunsch nach Gemeinschaft mit Ihm nie übergehen: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstossen Joh 6, 37. Ja, mehr noch: Der Herr Jesus wartet nicht, bis wir Ihn suchen und zu Ihm kommen, sondern Er selbst ist zu uns gekommen und hat uns – jeden von uns! – gesucht: 10 Denn der Sohn des Menschen ist gekommen, zu suchen und zu erretten, was verloren ist Lk 19, 10. Wer immer also Ihn, Seine Gemeinschaft, von Herzen sucht, der wird nicht enttäuscht werden. Der Herr wird diesen Wunsch nie abschlagen, sondern ihm immer nachkommen.

Jedoch kann der Herr nicht Gemeinschaft mit Sünde haben. Die Sünde ist die Gesetzlosigkeit 1. Joh 3, 4. Wer das Gesetz Gottes gebrochen hat, ist ein Gesetzesübertreter, ein Sünder. Das Gesetz umfasst zwar weit mehr als nur die Zehn Gebote, doch bin ich sicher, dass sich keiner finden lassen wird, der nicht schon mindestens einmal gegen mindestens eines der Gebote verstossen hat. Wer hat nicht schon gelogen? Wer hat nicht schon andere Dinge für wichtiger als den Herrn erachtet? Wer war nicht schon neidisch oder zornig auf seinen Nächsten? Der göttliche Massstab, nach dem Sünde beurteilt wird, ist aber hoch, denn es genügt die kleinste Gesetzesübertretung, uns zu Gesetzesübertretern zu machen:

Wer irgend das ganze Gesetz hält, aber in einem strauchelt, ist aller Gebote schuldig geworden. 11 Denn der gesagt hat: «Du sollst nicht ehebrechen», hat auch gesagt: «Du sollst nicht töten.» Wenn du nun nicht ehebrichst, aber tötest, so bist du ein Gesetzesübertreter geworden. Jak 2, 10. 11

Diesen Grundsatz finden wir übrigens auch im weltlichen Recht: Egal, gegen welche Strafbestimmung wir verstossen, wir sind Straftäter, wenn wir es tun. Wie schwer unsere Schuld wiegt und wie gross die Strafe ist, ist eine andere Frage, doch wir sind in jedem Fall Straftäter, auch wenn wir uns nur einer kleinen Übertretung schuldig gemacht haben. Wer ein Gesetzesübertreter ist, ist ein Sünder, und seine Sünde trennt ihn von Gott (Jes 59, 1). Dieser Makel kann nicht durch «gute Taten» wieder aufgehoben werden, denn ein Gesetzesübertreter bleibt ein Gesetzesübertreter, auch wenn er sonst ein vorbildliches Leben führt. Als gerechter Richter wird Gott jeden nach seiner Sünde richten, und jeder muss seine Strafe – Tod (Röm 6, 23), Trennung von Ihm (Offb 20, 14) – tragen. Es sei denn, Er kann einen anderen finden, der die Strafe für ihn trägt, einen «Sündenbock». In Seiner Gnade hat der Herr Seinen einzigen, vielgeliebten Sohn, den Einzigen, der gerecht war, der Sünde nicht kannte (2. Kor 5, 21), für uns hingegeben, auf dass jeder, der an Ihn glaubt, Sein Opfer für sich in Anspruch nimmt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe (Joh 3, 16). Der Herr Jesus hat sich selbst erniedrigt, indem Er für uns zum Sündenbock wurde, der die Strafe für unsere Sünden getragen hat, und wer an Ihn glaubt, ist rein vor Gott, denn das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde 1. Joh 1, 7. Gemeinschaft mit Ihm ist also nur auf der Grundlage Seines Blutes, Seines Opfers möglich. Es wird nie eine andere Grundlage geben: Weder die Zugehörigkeit zu einer Kirche noch ein vorbildliches Leben können Grundlage für Gemeinschaft mit Ihm sein; nichts, was wir tun oder lassen, kann Grundlage für Gemeinschaft mit Ihm sein, sondern nur, was Er tat, für uns tat. Der Herr sei gepriesen, der sich selbst für uns hingegeben hat und so die Grundlage dafür schuf, dass wir zu Ihm kommen dürfen!

Den Gedanken, dass der Herr Jesus die, die zu Ihm kommen, nicht hinausstösst, finden wir auch in der Geschichte der wohlhabenden Sunamitin schön verbildlicht: Und es geschah, sooft er durchzog, kehrte er dort ein, um zu essen 2. Kön 4, 8. Es gab nichts wichtigeres, das den Mann Gottes davon abhielt, dem Wunsch der wohlhabenden Sunamitin nachzukommen. Ihrem Wunsch nachzukommen, war ihm auch nicht mühsame Pflicht. Denn er kehrte nicht nur einmal bei ihr ein, um zu essen, sondern sooft er durchzog. So ist der Herr: Wenn wir Ihn in unser Leben bitten, dann wird Er nicht nur unseren Wunsch nicht überhören, sondern ihn im Gegenteil voll und ganz erfüllen. Wenn wir Ihn bitten, bei uns zu essen, wird Er es nicht nur einmal kurz tun, sondern sooft Er durchzieht – wenn wir das denn wollen.

Hingabe

Dass die Sunamitin tatsächlich an der Gemeinschaft mit Elisa interessiert war, und zwar, weil er ein Mann Gottes war, zeigen die nächsten Verse:

9 Und sie sprach zu ihrem Mann: Sieh doch, ich merke, dass dieser ein heiliger Mann Gottes ist, der ständig bei uns durchzieht. 10 Lass uns doch ein kleines gemauertes Obergemach machen und ihm Bett und Tisch und Stuhl und Leuchter hineinstellen; und es geschehe, wenn er zu uns kommt, kann er dort einkehren. 2. Kön 4, 9. 10

Es war die Eigenschaft als heiliger Mann Gottes, welche in der Sunamitin den Wunsch nach Gemeinschaft mit Elisa weckte, und sie war bereit, sich diese Gemeinschaft etwas kosten zu lassen: Damit sie länger Gemeinschaft mit ihm haben konnte, wollte sie ein gemauertes Obergemach anfertigen lassen. So konnte er bei ihnen einkehren, nicht nur zum Essen bleiben, sondern auch über Nacht. Was die Sunamitin hatte – wir wissen nur, dass sie wohlhabend war –, gab sie hin, um mehr Gemeinschaft mit dem zu haben, der von Gott gesandt war.

Die Sunamitin hegte also nicht nur einen «frommen Wunsch», gab nicht nur Lippenbekenntnisse von sich, als sie Elisa nötigte, bei ihr zu essen. Sie hegte den echten Herzenswunsch nach Gemeinschaft mit dem Mann Gottes, und sie bewies ihre Aufrichtigkeit durch ihre Hingabe. Sind auch wir bereit, uns dem Herrn Jesus hinzugeben, uns die Gemeinschaft mit Ihm etwas kosten zu lassen? Sind wir bereit, ein gemauertes Obergemach anfertigen zu lassen, so dass Er bei uns einkehren kann?

Wir lassen beispielsweise ein gemauertes Obergemach anfertigen, wenn wir uns mehr Zeit für Ihn nehmen, wenn wir um der Gemeinschaft mit Ihm willen auf Karrierepläne verzichten, auf eine Freizeitbeschäftigung oder auf sonst etwas, das Zeit raubt, die wir Ihm zur Verfügung stellen könnten. Selbstverständlich ist es grundsätzlich nicht falsch, seine Arbeit gut zu machen und/oder sich entsprechend aus- oder weiterzubilden. Es ist gewiss auch nicht falsch, eine Freizeitbeschäftigung zu haben, die einem Freude bereitet – der Herr ist gewiss kein «Spassverderber». Nur spielt unsere Herzenshaltung – wie in allem andern auch – eine wichtige Rolle: Welchen Stellenwert nehmen Arbeit/Karriere und Freizeitbeschäftigung in unserem Leben ein? Wieviel Zeit und Energie verwenden wir darauf? Nutzen wir das, was der Herr uns zur Verfügung stellt, um es für Sein Reich einzusetzen, oder aber, um uns selbst vergängliche Freude zu bereiten? Was bringt es denn, wenn wir in dieser Welt, die doch fürs Feuer aufbewahrt ist (2. Petr 3, 7), Schätze anhäufen, viel Geld verdienen, es zu Macht und Ansehen bringen? Wäre es nicht besser, Schätze im Himmel anzuhäufen, wo weder Motte noch Rost zerstören und wo Diebe nicht einbrechen und nicht stehlen Mt 6, 20? Denn wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein Mt 6, 20. Es ist nötig, dass wir alle uns kritisch prüfen und danach fragen, ob es nicht Dinge in unserem Leben gibt, die zuviel Raum einnehmen, und die wir deshalb lieber dem Herrn zu Füssen legen sollten. Es kann uns nur zum Segen gereichen, wenn wir alles in Seine Hände geben, denn was aus ihnen kommt, ist gut – ja, es gibt nichts Gutes, es sei denn, es komme von oben.

Belohnung

Die wohlhabende Sunamitin liess das gemauerte Obergemach anfertigen, und Elisa übernachtete darin.

12Und er sprach zu Gehasi, seinem Knaben: Rufe diese Sunamitin! Und er rief sie, und sie trat vor ihn hin. 13Und er sprach zu ihm: Sprich doch zu ihr: Siehe, du hast dir unsertwegen all diese Sorge gemacht; was ist für dich zu tun? Ist für dich mit dem König zu reden oder mit dem Heerobersten? 2. Kön 4, 12. 13

Elisa segnete die wohlhabende Sunamitin nicht nur durch die Gemeinschaft mit ihm, sondern bot ihr an, ein gutes Wort für sie beim König oder beim Heerobersten einzulegen. Doch die Sunamitin entgegnete nur: Ich wohne inmitten meines Volkes 2. Kön 4, 13; sie hatte alles, was sie brauchte, und damit war sie vollauf zufrieden. Könnten wir uns doch in dem mit ihr vergleichen! Wie glücklich wären wir!

Gerade durch diese Haltung bewies aber die Sunamitin, dass nichts anderes als die Gegenwart des Mannes Gottes für sie von Bedeutung war – nicht sein Einfluss, nicht seine Kraft, nicht das, was er für sie hätte tun können. Genau dies sollte die Haltung eines jeden Christen gegenüber seinem Herrn sein: Es sollte unser tiefster Herzenswunsch sein, Gemeinschaft mit Ihm zu haben. Alles andere wird uns dann sowieso durch Seine gnädige Hand zuteil werden.

Auch unsere unausgesprochenen Wünsche erfüllt der Herr. Obwohl die Sunamitin keinen Wunsch aussprach, gab es etwas, das sie sich wünschte: Sie hat keinen Sohn, und ihr Mann ist alt 2. Kön 4, 14. Die Sunamitin war also kinderlos geblieben, und sie wünschte sich nun einen Sohn – ein Wunsch, der nicht mehr in Erfüllung gehen konnte, denn sowohl sie als auch ihr Mann waren alt. Damit hatte sie sich offensichtlich abgefunden – so, wie man sich halt abfindet, wenn man etwas will, von dem man weiss, das man es nicht bekommen kann. Doch für den Herrn ist nichts unmöglich! Durch Elisa liess der Herr der Sunamitin verkünden: Zu dieser bestimmten Zeit übers Jahr wirst du einen Sohn umarmen 2. Kön 4, 16.

In jeder Hinsicht meint es der Herr mehr als gut mit uns. Wollte jemand über jede einzelne Wohltat nachsinnen, die der Herr an ihm getan hat und an ihm tut, er würde zuwenig Zeit dafür haben. Wenn wir uns aber dessen bewusst sind, dann werden wir freudig darin übereinstimmen, dem Herrn jede Wertschätzung zu zeigen, die wir Ihm zeigen können, dann werden wir alle beginnen, ein gemauertes Obergemach zu erstellen. Das wird aber wiederum zur Folge haben, dass uns der Herr noch reichlicher segnet. Gepriesen sei Er für Seine unermessliche, überschwengliche Gnade! Amen.