Einhaltung der Gebote
Ein Gesetzgeber stellt nicht Gebote und Verbote auf, nur um Gebote und Verbote aufgestellt zu haben. Wenn er beispielsweise für einen bestimmten Strassenabschnitt eine Höchstgeschwindigkeit anordnet, dann geht es ihm nicht bloss darum, die Verkehrsteilnehmer durch seine Regeln lenken und einschränken zu können. Vielmehr bezweckt er damit etwa eine Erhöhung der Verkehrssicherheit oder eine Verminderung des Verkehrslärms, der Abgase und dergleichen. Der Zweck der Gebote und Verbote erschöpft sich nie darin, dass sie eingehalten werden. Die Einhaltung der Regeln ist bloss das Mittel zur Erreichung eines übergeordneten Zwecks. So ist es auch bei Gott. Eine Zeit lang hat Er zwar Sein irdisches Volk, Israel, mit Seinem Gesetz geprüft, um zu beweisen, dass der Mensch nicht in der Lage ist, den Willen Gottes zu tun. Selbst das ist aber ein übergeordneter Zweck gewesen. Darüber hinaus erweisen sich Seine Gesetze als überaus sinnvoll und den Menschen dienlich. Sein Gesetz ist den Menschen eine echte Lebenshilfe gewesen und hat (auch) bezweckt, ein friedliches, geordnetes Zusammenleben zu ermöglichen. 12 Also ist das Gesetz heilig und das Gebot heilig und gerecht und gut
Röm 7, 12. Das Gesetz Gottes erweist sich sogar dann als gut und nützlich, wenn es bloss äusserlich beachtet wird, als eine Lebensregel. Das beweist die Geschichte Europas. Obwohl die Mehrheit der Christen wohl nicht von Herzen an Gott geglaubt hat und Ihm hat nachfolgen wollen, hat Europa unter der Beachtung der Regeln Gottes über Jahrhunderte geblüht. Bloss ist das Gesetz Gottes dadurch nicht so eingehalten worden, dass sich sein Zweck erfüllt hat. Das Gesetz Gottes wird nämlich nicht eingehalten, wenn es bloss äusserlich beachtet wird. Das wäre, wie wenn sich ein Autofahrer zwar an die Höchstgeschwindigkeit halten, aber gleichzeitig so schnell um die Kurven flitzen würde, dass er sich und andere Verkehrsteilnehmer gefährden würde. Dem Buchstaben nach würde er sich zwar an das Gesetz halten. Trotzdem würde er sich nicht so verhalten, wie es der Gesetzgeber bezweckt hat. Es genügt also nicht, das Gesetz Gottes bloss dem Buchstaben nach einzuhalten (nur schon dies ist dem Menschen nicht möglich, wie die Geschichte Israels eindrücklich beweist). Täuschen wir uns nicht! Gott, der nicht nur das Äusserliche, sondern auch das Herz beurteilt, trägt der inneren Haltung der Menschen ebenso Rechnung wie der äusserlichen Einhaltung der Gebote. So heisst es etwa:
3 Wer ein Rind schlachtet, erschlägt einen Menschen; wer ein Schaf opfert, bricht einem Hund das Genick; wer Speisopfer opfert, es ist Schweinsblut; wer Weihrauch als Gedächtnisopfer darbringt, preist einen Götzen. So wie diese ihre Wege erwählt haben und ihre Seele Gefallen hat an ihren Scheusalen, 4 ebenso werde ich ihre Missgeschicke erwählen und ihre Schrecknisse über sie bringen; weil ich gerufen habe und niemand geantwortet hat, geredet und sie nicht gehört, sondern getan haben, was böse ist in meinen Augen, und das erwählten, woran ich kein Gefallen habe. Jes 66, 3. 4
Wenn die Israeliten getan haben, was der Herr angeordnet hatte, ist es ihnen nicht als Erfüllung des Gesetzes, sondern – im Gegenteil – als Sünde angerechnet worden! Weshalb? Weil sie im Allgemeinen getan haben, was böse ist in den Augen des Herrn, weil sie das erwählt haben, woran Er keinen Gefallen hat, weil Er gerufen und niemand geantwortet, geredet und niemand gehört hat. Innerlich sind die Israeliten weit von Gott entfernt gewesen; ihr Herz ist nicht darauf gerichtet gewesen, zu tun, was dem Herrn gefällt, und zu lassen, was Ihm nicht gefällt. Deshalb ist alles, was sie getan haben, als Sünde angerechnet worden. Die äusserliche Beachtung des Gesetzes hat den gravierenden Mangel nicht ausgeglichen. Die Israeliten sind unrein gewesen vor dem Herrn. Deshalb ist alles, was sie getan haben, als unrein angerechnet worden (Hag 2, 14). Wenn das Herz nicht danach trachtet, Gottes Willen zu tun, wenn es dem Menschen nicht ein echtes Anliegen ist, sich so zu verhalten, dass sich das Vaterherz daran erfreuen kann, dann wird die äusserliche Beachtung des Gesetzes ignoriert. Die bloss äusserliche Beachtung des Gesetzes unterscheidet sich in den Augen Gottes nicht von der Nichtbeachtung des Gesetzes. Nehmen Sie sich dies bitte zu Herzen, liebe Leser, denn es wird Sie davor bewahren, sich mit Taten ein Guthaben bei Gott anhäufen oder Sünde dadurch aufwiegen zu wollen.
Der Idealfall ist also, wenn die Gebote Gottes – es gibt auch neutestamentliche Gebote! – innerlich und äusserlich beachten, wenn wir also nach den Regeln Gottes leben und dies von Herzen tun. Es muss unser Wunsch sein, das Herz des Vaters zu erfreuen und Ihm unsere tiefe Dankbarkeit für alles, was Er für uns getan hat, zum Ausdruck zu bringen. Ohne diese Grundhaltung ist die äusserliche Beachtung Seiner Regeln praktisch wertlos. So heisst es beispielsweise in Bezug auf das Spenden von Geld: 7 Ein jeder, wie er es sich im Herzen vorgenommen hat: nicht mit Verdruss oder aus Zwang, denn einen fröhlichen Geber liebt Gott
2. Kor 9, 7. Von einem verdriesslichen Geber, der aus Zwang etwas gibt, will Gott nichts annehmen. Das gilt genauso in Bezug auf die Einhaltung der Gebote.
Wie sieht es nun im umgekehrten Fall aus, wenn also der Wille, nach den Regeln Gottes zu leben, vorhanden (echt vorhanden) ist, ein Gebot aber äusserlich übertreten wird? Ein Beispiel aus dem Leben von David liefert die Antwort:
4 Und nun, was ist unter deiner Hand? Gib fünf Brote in meine Hand oder was sich vorfindet. 5 Und der Priester antwortete David und sprach: Es ist kein gewöhnliches Brot unter meiner Hand, sondern nur heiliges Brot ist da; wenn sich nur die Knaben der Frauen enthalten haben! 6 Und David antwortete dem Priester und sprach zu ihm: Ja, denn Frauen sind uns versagt seit gestern und vorgestern, als ich auszog; und die Gefässe der Knaben sind heilig. Und es ist einigermassen gewöhnliches Brot, und das umso mehr, als heute neues in den Gefässen geheiligt wird. 7 Da gab ihm der Priester heiliges Brot; denn es war dort kein anderes Brot als nur das Schaubrot, das vor dem Herrn weggenommen worden war, um warmes Brot aufzulegen am Tag seiner Wegnahme. 1. Sam 21, 4–7
David und seine Knechte litten Hunger und konnten aufgrund der besonderen Umstände (David wurde von Saul verfolgt) nicht an Nahrung kommen. Da gab ihnen der Priester von den Schaubroten, von denen niemand ausser den Priestern essen durfte. David übertrat in dieser Sache also das Gebot Gottes. Wie reagierte nun der Herr darauf? Er liess David nicht nur gewähren, sondern führte diese Begebenheit später gegenüber den Pharisäern an, um ihnen ihre Heuchelei vorzuhalten! In diesem Zusammenhang sagte Er: Der Sabbat wurde um des Menschen willen geschaffen und nicht der Mensch um des Sabbats willen
Mk 2, 27. Die Einhaltung des Sabbats (das Gebot, das ganz besonders für das israelitische Gesetzessystem stand) ist nie ein Selbstzweck gewesen. Der Herr hat den Menschen nicht dazu geschaffen, den Sabbat bzw. Seine Gebote zu halten. Nein, das Gegenteil ist der Fall: Der Herr hat Seine Gebote für den Menschen, also zu seinem Besten, gegeben. Von Beginn weg ist es deshalb zulässig gewesen, in einer Notsituation ein Gebot zu übertreten. Hier ist nicht die Rede von einem eigenmächtigen Wandel, als ob der Mensch selbst darüber bestimmen könnte, welche Gebote er halten wolle und welche nicht. In einer anderen Sache wurde David wegen einer Gesetzesübertretung sehr hart geschlagen. Nein, die Rede ist von einer Not, von einem Mangel. Das können besondere Umstände oder eine Unkenntnis sein. Ein Christ, der noch nicht allzu viel vom Herrn weiss und in Lauterkeit vor Ihm wandelt, ein Gebot, das ihm noch unbekannt ist, aber nicht hält, wird vom Herrn dem gleichgestellt, der das Gebot kennt und es hält. Für solche (echte) Mängel ist der Herr Jesus mit Seinem Opfer in die Bresche gesprungen, sodass es nun heisst: 15 Den Reinen ist alles rein; den Befleckten aber und Ungläubigen ist nichts rein, sondern befleckt ist sowohl ihre Gesinnung als auch ihr Gewissen
Tit 1, 15. Wie wir oben gesehen haben, ist den Befleckten und Ungläubigen alles unrein, selbst die äusserliche Einhaltung der Gebote Gottes. Es gilt umgekehrt aber auch: Den Reinen ist alles rein. Leider muss angesichts der heutigen Zustände und im Wissen um die im Allgemeinen böse, eigensinnige und auf sich selbst bezogene Haltung auch der Christen betont werden, dass damit nicht bewusste Übertretungen ohne Not gemeint sind. Solche sind Sünde, für die kein Opfer übrig bleibt. Die unwissentliche oder aus Not begangene Übertretung wird dagegen vom Opfer Christi erfasst, sodass selbst der entsprechende Mangel dem Reinen rein ist. O, wie herrlich ist doch unser Herr! Was Er getan hat, umfasst unendlich viel mehr, als wir uns vorstellen können. Selbst das reinste und geschulteste Gewissen ist nicht in der Lage, annähernd zu erfassen, wie vielfältig Übertretungen sein können, für die der Herr in die Bresche gesprungen ist.
Der Herr will keine ängstlichen Untergebenen, die nur ja peinlich darauf bedacht sind, keine Fehler zu machen. Dies gelingt ohnehin niemandem von uns, selbst wenn jemand bloss noch in seinem Bett läge. Nein, ich bin gekommen, damit sie Leben haben und es in Überfluss haben
Joh 10, 10. Wir sollen nicht funktionieren, sondern leben! Ganz besonders sollen wir eine lebendige, liebende, innige Beziehung zu unserem Vater haben.