Jesus Christus ist der Herr! Phil 2, 11

Josias Eifer

Fund des Gesetzes

Wie sein Urgrossvater Hiskia war der König Josia von Juda ein gottesfürchtiger Mann. Diese beiden Könige waren leuchtende Ausnahmen in einer langen Folge von gottlosen Königen. Josia wurde mit acht Jahren zum König gemacht, nachdem sein Vater Amon von dessen eigenen Knechten ermordet worden war (2. Chron 33, 21–25 und 2. Chron 34, 1). Bereits im Alter von 16 Jahren begann Josia, den Herrn ernsthaft zu suchen (2. Chron 34, 3), und schon im Alter von 20 Jahren reinigte er Juda (2. Chron 34, 3). Ein beachtenswerter Anfang und ein rascher Zuwachs von geistlicher Energie!

Im achtzehnten Jahr seiner Regierung sandte Josia geeignete Männer, um das Haus des Herrn ausbessern zu lassen (2. Chron 34, 8). Bei der Verrichtung der entsprechenden Arbeiten fanden die Diener dann ein Buch des Gesetzes Moses (2. Chron 34, 14). Sofort wurde das Buch vor dem König vorgelesen. Seine Reaktion war folgende: 19 Und es geschah, als der König die Worte des Gesetzes hörte, da zerriss er seine Kleider. 21 Geht hin, befragt den Herrn für mich und für die Übriggebliebenen in Israel und in Juda wegen der Worte des aufgefundenen Buches. Denn gross ist der Grimm des Herrn, der sich über uns ergossen hat, weil unsere Väter das Wort des Herrn nicht gehalten haben, um nach allem zu tun, was in diesem Buch geschrieben steht 2. Chron 34, 19. 21.

Ist das nicht erschreckend? Das Gesetz war derart in Vergessenheit geraten, dass Josia ob dessen Inhaltes ausser sich geriet! Weder er noch das Volk hatten offensichtlich eine Ahnung vom Inhalt des Gesetzes gehabt und entsprechend auch keine Ahnung davon, wie weit sie von dessen Vorgaben abgewichen waren. Das auserwählte Volk Gottes, das von Ihm selbst ins Land geführt worden war, hatte vergessen, was Er geboten hatte – Volk Gottes ohne Beziehung zu Gott. So erschütternd dies ist, es ist ein treffendes Bild für den Zustand der Christenheit in der heutigen Zeit: Was der Wille Gottes im Einzelnen ist, ist im Allgemeinen schon längst vergessen gegangen. Es wird auch nicht nach Seinem Willen gefragt. Und wenn einmal «Schriftauslegung» betrieben wird, dann meist in der Art, dass man den Worten jene Bedeutung zumisst, die man gerne darin finden würde – also nicht Auslegung, sondern «Hineinlegung». Wie oft wird etwa behauptet, dieses oder jenes sei nicht mehr verbindlich, weil wir in einer anderen Zeit und unter anderen kulturellen Bedingungen lebten! Ja, ist denn das Wort Gottes abhängig von Zeit und Kultur? Ganz sicher nicht! Das Gegenteil ist der Fall: Nichts ist so beständig wie das Wort Gottes. Bezogen auf die Worte des Herrn Jesus heisst es etwa (an drei Stellen!): 35 Der Himmel und die Erde werden vergehen, meine Worte aber werden nicht vergehen Mt 24, 35; Mk 13, 31; Lk 21, 33. Gleiches findet man in Bezug auf das Gesetz in Mt 5, 18 und Lk 16, 17. Weitere Stellen stützen diese Wahrheit.

Wie dem auch sei, die Kenntnis dessen, was dem Herrn gefällt und was nicht, was Er geboten hat, ist im Allgemeinen kaum mehr vorhanden. In Diskussionen stellt man nicht selten fest, dass die Christen den Inhalt der Bibel weniger gut kennen als jene, die sich klar vom christlichen Glauben distanzieren. Eine Schande! Dass sich dies im praktischen Wandel widerspiegelt, versteht sich von selbst. Denn wüssten die Christen etwa, wie sie sich nach dem Willen Gottes versammeln sollten, würden sie gewiss nicht die Traditionen, die in klarem Widerspruch dazu stehen, aufrecht erhalten. Dann gäbe es keine Sekten und Parteiungen, keine eigenen Benennungen und Vereinsstatuten und dergleichen mehr, sondern nur einträchtiges Beisammensein von Geschwistern im Herrn. Unkenntnis und Verwirrung sind heute aber in allen Belangen so gross, dass die Christen wohl ebenso erschrecken würden wie Josia, wenn sie hören würden, was der Herr uns als Seinen Willen offenbart hat.

Nur, der Zustand ist noch schlimmer. Denn im Unterschied zu Josia würden sich die Christen wohl kaum die eigenen Kleider zerreissen und in Sack und Asche Busse tun. Sie würden wohl eher wie Jojakim reagieren: 23 Und es geschah, sooft Jehudi drei oder vier Spalten vorgelesen hatte, zerschnitt sie der König mit dem Schreibermesser und warf sie in das Feuer, das im Kohlenbecken war, bis die ganze Rolle im Feuer des Kohlenbeckens vernichtet war Jer 36, 23. Lieber wird das Wort Gottes zerschnitten als das eigene Kleid zerrissen. Lieber wird die Gültigkeit des Wortes Gottes in Abrede gestellt als die eigenen Gewohnheiten angepasst und Busse getan. Zugeben würden das wohl nur die wenigsten. Aber prüfen wir uns doch mal selbst! Wie halten wir es etwa mit den Weisungen im ersten Brief an die Korinther, der sich wohlgemerkt an alle richtet, die an jedem Ort den Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen, ihres und unseres Herrn 1. Kor 1, 2? Denken wir nur, dass es dort heisst, wir sollen uns nicht von andern absondern, uns eigene Namen geben, selbst ernannten Führern nachfolgen, Vereine gründen, nur bestimmten Brüdern das Wort in den Zusammenkünften erteilen, die Frauen mit unbedecktem Haupt beten lassen, Unordnung in den Zusammenkünften zulassen und anderes mehr. Die Realität könnte nicht weiter von diesen Weisungen entfernt sein! Wenn in der Gemeinschaft, der wir uns zugehörig fühlen, andere Richtlinien gelten als im Wort Gottes – zerreissen wir unsere Kleider oder zerschneiden wir die Rolle des Buches? Beugen wir uns unter das, was jeder einfältige Leser als den klaren Inhalt der betreffenden Stelle angeben würde, oder suchen wir nach ausgeklügelten «Auslegungen», die zu einem uns genehmen Resultat führen? Sind wir solche, die zittern vor dem Wort des Herrn (Jes 66, 2), oder solche, die die gesunde Lehre nicht ertragen, sondern sich nach eigenen Begierden Lehrer aufhäufen, die Ohren von der Wahrheit abkehren und sich den Fabeln hinwenden (2. Tim 4, 3. 4)?

Vollendete Tatsachen

Josia liess, nachdem er die Worte des Gesetzes gehört hatte, ein prophetisches Wort einholen. Ihm war bewusst, dass der Zorn des Herrn über Juda gross sein müsse angesichts der mannigfaltigen Vergehungen des Volkes, doch wollte er direkt vom Herrn wissen, wie es um Juda stand. Die Antwort der befragten Prophetin war folgende:

24 So spricht der Herr: Siehe, ich will Unglück bringen über diesen Ort und über seine Bewohner: alle Flüche, die in dem Buch geschrieben sind, das man vor dem König von Juda gelesen hat. 25 Weil sie mich verlassen und anderen Göttern geräuchert haben, um mich zu reizen mit allen Machwerken ihrer Hände, so hat mein Grimm sich über diesen Ort ergossen, und er wird nicht erlöschen. 26 Zum König von Juda aber, der euch gesandt hat, um den Herrn zu befragen, zu ihm sollt ihr so sprechen: So spricht der Herr, der Gott Israels: Die Worte betreffend, die du gehört hast – 27 weil dein Herz weich geworden ist und du dich vor Gott gedemütigt hast, als du seine Worte über diesen Ort und über seine Bewohner hörtest, und du dich vor mir gedemütigt und deine Kleider zerrissen und vor mir geweint hast, so habe ich es auch gehört, spricht der Herr. 28 Siehe, ich werde dich zu deinen Vätern versammeln, und du wirst zu deinen Gräbern versammelt werden in Frieden, und deine Augen sollen all das Unglück nicht ansehen, das ich über diesen Ort und über seine Bewohner bringen werde. – Und sie brachten dem König Antwort. 2. Chron 34, 24–28

Das waren vollendete Tatsachen, an denen es offensichtlich nichts mehr zu rütteln gab. Das Gericht über Juda war von Seiten des Herrn fest beschlossene Tatsache. Kein Wort davon, dass Er von Seinem Grimm ablassen würde, wenn Juda zu Ihm umkehren würde, kein Ausweg, nur fest stehendes Gericht. Wie hätte es denn auch anders sein können? Hatte Er denn nicht immer und immer wieder Propheten aufstehen und das Volk warnen und zur Umkehr aufrufen lassen? Hatte Er sich denn nicht Tag für Tag um Sein Volk bemüht? 21 Von Israel aber sagt er: ‹Den ganzen Tag habe ich meine Hände ausgestreckt zu einem ungehorsamen und widersprechenden Volk› Röm 10, 21. Wer insbesondere in den prophetischen Büchern des Alten Testaments nachforscht – gerade im Buch des Propheten Hesekiel finden sich sehr eindrückliche bildhafte Beschreibungen –, wird schnell finden, dass sich der Herr immer und immer wieder um Sein Volk bemüht hat. Stets liess Er Gnade walten, immer wieder gab Er Seinem Volk nochmals die Möglichkeit, zu Ihm umzukehren und das Gericht abzuwenden. Aber irgendwann war genug. Das darf uns nicht überraschen, war doch bereits im Gesetz festgelegt worden, was die Folge von Ungehorsam und Abfall sein würde. Da half es Israel auch nichts, dass der Tempel des Herrn in Jerusalem stand: Sie stützen sich auf den Herrn und sagen: Ist nicht der Herr in unserer Mitte? Kein Unglück wird über uns kommen! 12 Darum wird euretwegen Zion als Feld gepflügt werden, und Jerusalem wird zu Trümmerhaufen und der Berg des Hauses zu Waldeshöhen werden Mi 3, 11. 12; 4 und verlasst euch nicht auf Worte der Lüge, indem man spricht: ‹Der Tempel des Herrn, der Tempel des Herrn, der Tempel des Herrn ist dies!› Jer 7, 4.

Ach, die Geschichte wiederholt sich ständig; es gibt gar nichts Neues unter der Sonne Pred 1, 9. Was heute innerhalb der so genannten Christenheit alles Platz findet, kann kaum in Worte gefasst werden. Da gibt es wirklich fast nichts, das es nicht gibt, Dinge, die nicht einmal genannt werden können, ohne sich zu schämen. Nur für den Herrn Jesus scheint es kaum mehr Platz zu haben. Das Bild der Einheit ist völlig zerstört, die Absonderung von der Welt ist längst aufgegeben worden, göttliche Weisheit wurde durch menschliche Philosophie und religiöse Praktiken ersetzt, die Nachfolge ist vielerorts zu einer rein moralischen Lehre – oder besser gesagt: Leere – verkommen, man hält Werte hoch, aber nicht den Willen des Herrn Jesus, einige sind gar frech und erlauben sich alles Mögliche, heissen ausdrücklich das Böse gut und das Gute schlecht … Stellt man Falsches bloss, wird dann nur allzu oft entgegnet, man sei ja unter Gnade, nicht unter Gesetz, wie wenn der Herr weder von guten noch von schlechten Taten Notiz nehmen würde. Der Ruf ist: «Friede und Sicherheit», wo doch das Gericht unmittelbar bevorsteht. Es sei nur an zwei Verse aus dem Neuen Testament erinnert: 17 Denn die Zeit ist gekommen, dass das Gericht anfange bei dem Haus Gottes; wenn aber zuerst bei uns, was wird das Ende derer sein, die dem Evangelium Gottes nicht gehorchen! 1. Petr 4, 17; 31 es ist furchtbar, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen! Hebr 10, 31. Für das, was Israel im Verlaufe der vergangenen Jahrhunderte widerfahren ist, findet man kaum die rechten Worte – und das alles ist noch nichts im Vergleich zu dem, was über dieses Volk und über die Erde als solches noch kommen wird. Israel, das irdische Volk Gottes, wurde härter geschlagen als alle anderen Völker, und das, weil es das Volk Gottes war und ist. Kann es tatsächlich sein, dass mit dem himmlischen Volk Gottes – dessen Verantwortung noch sehr viel höher ist – grundsätzlich anders verfahren wird? Ich bezweifle das stark. Heisst es nicht, dass es solche geben wird, die gerade noch so errettet werden, wie durchs Feuer hindurch (1. Kor 3, 15)?

Um auf die Geschichte Josias zurückzukommen: Auch mit Blick auf ihn offenbarte die Prophetin vollendete Tatsachen. Er würde das Unglück nicht sehen, sondern in Frieden sterben. Eine schöne Zusage, könnte man sagen. Mit seiner Ehrfurcht vor dem Herrn und vor Seinem Wort entging er selbst dem kommenden Gericht, das ganz Juda mit Sicherheit bevorstand. Wie hätten wir angesichts dessen reagiert, wenn wir uns in seiner Lage befunden hätten? Vielleicht hätten wir kurz bedauert, dass Juda dem sicheren Gericht entgegen ging, vielleicht hätten wir auch nur so getan, um einen frommen Schein zu wahren. Gewiss hätten sich die meisten von uns aber vor allem darüber gefreut, dass wir dem Gericht entgehen würden. Und abgesehen davon: Was hätten wir denn schon tun können? Das Gericht war ja fest beschlossene Sache. Solches Denken ist durch und durch natürlich und menschlich. Menschen, die in dieser Art denken, kann grundsätzlich kein Vorwurf gemacht werden, weil es nun mal die Art ist, wie sie denken. Wenn aber Christen, die eine neue Natur, deren Ursprung göttlich ist, und dazu den Geist Gottes erhalten haben, so denken, dann ist das etwas anderes. Christen sollten nicht denken wie die Welt, sondern wie Gott. Leider ist solches natürlich-irdisches Denken auch in christlichen Kreisen nur zu verbreitet. Prüfen wir uns selbst in diesem Punkt äusserst kritisch! Denken wir, wie der Herr denkt? Fühlen wir, wie Er fühlt? Handeln wir, wie Er handelt? Oder denken, fühlen und handeln wir nur allzu menschlich, so, wie alle andern, die den Herrn nicht persönlich kennen, auch denken, fühlen und handeln würden? Das ist eine ganz und gar üble Sache und dazu leider auch teilweise nur schwer erkennbar.

Josias Eifer

Josia hatte diese Haltung nicht. Denn auf die Worte der Prophetin reagierte er wie folgt:

29 Und der König sandte hin und versammelte alle Ältesten von Juda und von Jerusalem. 30 Und der König ging in das Haus des Herrn hinauf, und alle Männer von Juda und die Bewohner von Jerusalem und die Priester und die Leviten und alles Volk, vom Grössten bis zum Kleinsten; und man las vor ihren Ohren alle Worte des Buches des Bundes, das im Haus des Herrn gefunden worden war. 31 Und der König stand auf seinem Standort und schloss den Bund vor dem Herrn, dem Herrn nachzuwandeln und seine Gebote und seine Zeugnisse und seine Satzungen zu halten mit seinem ganzen Herzen und mit seiner ganzen Seele, um die Worte des Bundes zu tun, die in diesem Buch geschrieben sind. 32 Und er liess alle in den Bund treten, die sich in Jerusalem und in Benjamin befanden. Und die Bewohner von Jerusalem taten nach dem Bund Gottes, des Gottes ihrer Väter. 33 Und Josia tat alle Gräuel weg aus allen Ländern, die den Kindern Israel gehörten; und er hielt alle an, die sich in Israel befanden, dem Herrn, ihrem Gott, zu dienen. Alle seine Tage wichen sie nicht ab von der Nachfolge des Herrn, des Gottes ihrer Väter. 2. Chr 34, 29–33

Josia schloss nicht nur selbst einen Bund mit dem Herrn, sondern liess auch alle Bewohner von Jerusalem und Benjamin in den Bund treten. Dieses Volk, über das das Gericht Gottes fest beschlossen war, dieses Volk lag Josia am Herzen. Ja, es lag ihm so sehr am Herzen, dass er nicht zögerte, sofort alle zu berufen, die Worte des Gesetzes vor ihren Ohren vorlesen zu lassen und sie zur Umkehr zum Herrn zu bewegen. Obwohl er um das fest beschlossene Gericht Gottes über das Volk wusste und obwohl er wusste, dass ihn dieses Gericht nicht treffen würde, verwendete er alle Energie darauf, das Volk so rasch als möglich in Ordnung vor dem Herrn zu bringen. Dass dieses Unterfangen – wiederum aus menschlicher Sicht – als sinnlos zu bezeichnen war, weil das Gericht ja fest beschlossene Sache war, ist dabei nebensächlich, denn es war alles andere als sinnlos.

Sinnlos war dieses Unterfangen nur schon deshalb nicht, weil die weitere Geschichte zeigt, dass der Herr selbst dann, als Jerusalem bereits zum zweiten Mal belagert wurde, jedem Einzelnen die Chance bot, sein Leben zu retten, wiewohl das Volk als Ganzes dem Gericht verfallen war: 9 Wer in dieser Stadt bleibt, wird sterben durch Schwert und durch Hunger und durch Pest; wer aber hinausgeht und zu den Chaldäern überläuft, die euch belagern, wird leben, und seine Seele wird ihm zur Beute sein Jer 21, 9. Bedenken wir nur: Jerusalem wurde, als Jeremia diese Worte des Herrn sprach, bereits zum zweiten Mal belagert! Das Gericht war absolut sicher und nicht mehr abwendbar – und doch konnte sich jeder Einzelne, der auf diese Worte hörte, noch retten. Wenn nun Josia das Volk in einen Bund mit dem Herrn treten liess, obwohl das Gericht als gewisslich eintretend angekündigt worden war, so eröffnete er damit Jedem aus dem Volk die Möglichkeit, aufrichtig zum Herrn umzukehren und damit letztlich vor dem Gericht bewahrt zu werden. Mit anderen Worten vermochte Josia dadurch zwar das Gericht über Juda als Ganzes nicht abzuwenden, konnte damit aber in eindrücklicher Weise an die Herzen der Einzelnen appellieren.

Man kann das Handeln Josias mit jenem des Geistes Gottes in seinen Appellen an die Kirche Gottes vergleichen, wie sie in der Offenbarung gefunden werden: In den ersten Sendschreiben wird an die Versammlung als Ganzes appelliert, im letzten Sendschreiben heisst es bloss noch: 20 Siehe, ich stehe an der Tür und klopfe an; wenn jemand meine Stimme hört und die Tür öffnet, zu dem werde ich hineingehen und das Abendbrot mit ihm essen, und er mit mir Offb 3, 20; und ganz am Ende ergeht lediglich noch folgender Ruf: Geht aus ihr hinaus, mein Volk, damit ihr nicht ihrer Sünden teilhaftig werdet und damit ihr nicht empfangt von ihren Plagen Offb 18, 4. Für Juda als Ganzes gab es zur Zeit Josias keine Hoffnung mehr, aber für die Einzelnen in Juda, die den Herrn aufrichtig suchten, sehr wohl. Josia liess sich nicht vom Zustand des ganzen Volkes täuschen und gab die Hoffnung, die es für Einzelne noch gab, nicht auf. Auch er zerbrach nicht das geknickte Rohr und löschte den glimmenden Docht nicht aus (vgl. Jes 42, 3).

Hinzu kommt, dass es beim Herrn andere Massstäbe bezüglich Sinn und Unsinn eines Unterfangens gibt als bei uns. Denken wir etwa nur daran, dass Urija nicht nach Hause gehen wollte, während sein Herr sich im Kampf befand: 11 Und Urija sprach zu David: Die Lade und Israel und Juda weilen in Hütten, und mein Herr Joab und die Knechte meines Herrn lagern auf freiem Feld, und ich sollte in mein Haus gehen, um zu essen und zu trinken und bei meiner Frau zu liegen? So wahr du lebst und deine Seele lebt, wenn ich dies tue! 2. Sam 11, 11. Ja, was nützte es denn Joab, wenn Urija draussen vor dem Königspalast übernachtete? Nichts, wird man zu Recht sagen. Und doch war das Handeln Urijas wertvoll in den Augen Gottes, denn er bewies damit, dass er nicht bloss ein Schwätzer war, sondern ernsthaft und insbrünstig teilnahm an den Leiden seines Volkes. Genauso wertvoll war das Handeln Josias in den Augen Gottes. Er war ebenfalls kein Schwätzer, sondern eiferte sogar dann noch für das Volk Gottes, als es eigentlich nichts mehr zu erreichen gab. Nochmals sollten wir uns selbst fragen: Kennen wir diese Art von Anteil? Haben wir schon einmal echt getrauert, gebetet, gefleht und gefastet, wenn Geschwister oder Nächste litten? Oder haben wir zwar Mitleid verspürt, uns aber trotzdem den alltäglichen irdischen Freuden hingegeben, gegessen und getrunken und bei unserer Frau gelegen? Wer in einem solch «nutzlosen» Punkt handelt, wie der Herr handeln würde, der hat einen grossen Schritt weg vom Wandeln im Schauen hin zum Wandeln im Glauben gemacht, der darf sich darüber freuen, wenigstens in einer Sache seinem Herrn entgegen der Natur ähnlich gewesen zu sein. Glückselig, wer nicht auf Kosten und Nutzen schielt, sondern danach trachtet, die Empfindungen des Herrn zu verstehen und selbst zu haben und danach zu handeln!

Möchte es doch mehr Josias im Volk Gottes geben! Gerade in der heutigen, schwierigen Zeit tun Geschwister mit echten herzlichen Empfindungen und aufrichtigem Eifer – man möchte hinzufügen: entgegen der menschlichen Vernunft – not. Liebe Geschwister, lasst die Liebe nicht erkalten, wie es bei den meisten der Fall sein wird (vgl. Mt 24, 12 und 1. Tim 3, 1–5) oder schon ist!