Jesus Christus ist der Herr! Phil 2, 11

Mara und Elim

Der Weg durch die Wüste

Schon bevor der Herr Israel aus Ägypten führte, stand fest, dass Israel das Land Kanaan einnehmen und die dort ansässigen Nationen vertreiben würde. Ja, schon vierhundert Jahre zuvor hatte Gott also zu Abraham, dem Stammvater Israels, gesprochen: 16 Und in der vierten Generation werden sie hierher zurückkehren 1. Mose 15, 16. Nun war Kanaan nicht weit von Ägypten entfernt, und es hätte deshalb nahe gelegen, dass der Herr Israel von Ägypten direkt nach Kanaan geführt und Sein Volk das Land einnehmen lassen hätte.

Anstelle dessen führte der Herr jedoch Israel durch die Wüste nach Kanaan – nicht auf direktem Weg, sondern über einen weiten Umweg. Zwei Jahre dauerte es, bis Israel an der Grenze Kanaans stand (vgl. 5. Mose 2, 14 mit 5. Mose 8, 2). Doch der Herr hatte gute Gründe, Sein Volk nicht auf direktem Weg in das Gute Land zu führen und dort sesshaft werden zu lassen. Der erste dieser Gründe ist, dass es notwendig war, Israel in der Schule Gottes zu erziehen, die Israeliten auszubilden, ihnen die Abhängigkeit von Ihm und aber auch den rechten Weg, Ihm zu nahen, vor Augen zu führen:

2 Und du sollst dich an den ganzen Weg erinnern, den der Herr, dein Gott, dich hat wandern lassen diese vierzig Jahre in der Wüste, um dich zu demütigen, um dich zu prüfen, um zu erkennen, was in deinem Herzen ist, ob du seine Gebote halten würdest oder nicht. 3 Und er demütigte dich und liess dich hungern; und er speiste dich mit dem Man, das du nicht kanntest, und das deine Väter nicht kannten, um dir kundzutun, dass der Mensch nicht von Brot allein lebt, sondern dass der Mensch von allem lebt, was aus dem Mund des Herrn hervorgeht.5. Mose 8, 2. 3

Israel wäre nicht bereit gewesen, gleich nach der Sklaverei direkt in das Gute Land einzugehen, und bei uns ist es ganz ähnlich. Bevor wir in die Herrlichkeit eingehen können, müssen wir vom Herrn dafür zugerüstet und ausgebildet werden. Wenn wir nicht durch die Wüste gehen, wo es ausser Ihm nichts gibt, wo wir lernen, völlig auf Ihn zu vertrauen und in allem von Ihm abhängig zu sein, dann befinden wir uns nicht in der rechten Verfassung, um Ihm als Priester und Könige zu dienen, um mit Ihm auf dem Thron zu sitzen.

Es gab aber auch noch einen andern Grund, weshalb der Herr Israel nicht direkt ins Gute Land eingehen liess: 17 Und es geschah, als der Pharao das Volk ziehen liess, da führte Gott sie nicht den Weg durchs Land der Philister, obwohl er nahe war; denn Gott sprach: Damit es das Volk nicht bereue, wenn sie den Kampf sehen, und sie nicht nach Ägypten zurückkehren 2. Mose 13, 17. Es war die Fürsorge des Herrn, welche Ihn leitete, das Volk durch die Wüste und nicht durch das Land der Philister gehen zu lassen. Gerade eben hatte Er Sein Volk erlöst (wir denken an das Passah und den Auszug aus der Sklaverei), und es befand sich deshalb erst seit kurzer Zeit in Seiner Nähe. Wäre es nun sogleich auf starken Widerstand gestossen, so hätten sie an Ihm gezweifelt, hätten bereut, zu Ihm zu gehören, und wären wieder nach Ägypten, in die Welt, in die Sklaverei, zurückgekehrt. Der Herr wusste, dass Er Seinem Volk den Kampf im Land der Philister nicht zumuten konnte, weil es noch zu schwach war. Deshalb liess Er es auf einem andern Weg gehen.

Genauso sorgt sich der Herr auch heute für jeden Einzelnen, der zu Seinem Volk gehört. Obwohl jedem Christen Leid verheissen ist (2. Kor 1, 5; Phil 1, 29), ist es doch so, dass solche, die jung im Glauben sind, diese Leiden meist nicht tragen können, ohne am Herrn zu verzweifeln. Diese schont Er deshalb in besonderer Weise, sie dürfen sich eines besonderen Schutzes in Ihm erfreuen. In diesem Sinne spricht die Wüste eben nicht nur von Entbehrungen, sondern auch von Ruhe: Anstatt sich in den Kampf zu begeben, begibt sich Israel in die Wüste, wo es nichts gibt. Im Land der Philister hätte es diese Ruhe nicht gegeben, und Israel hätte das Wort des Herrn nicht in gleicher Weise hören können. Wollen wir, die wir uns ebenfalls in der Wüste befinden, lernen, diese Ruhe für uns nutzbar zu machen und auf jedes Wort aus dem Munde des Herrn zu hören!

Mara

22 Und Mose liess Israel vom Schilfmeer aufbrechen, und sie zogen aus in die Wüste Sur; und sie wanderten drei Tage in der Wüste und fanden kein Wasser. 23 Und sie kamen nach Mara; aber sie konnten das Wasser von Mara nicht trinken, denn es war bitter: Darum gab man ihm den Namen Mara (d. i. Bitterkeit). 24 Und das Volk murrte gegen Mose und sprach: Was sollen wir trinken? 2. Mose 15, 22–24

Wie treffend beschreiben diese Ereignisse doch das, was wohl die meisten Christen in ihrem eigenen Leben erleben! Gerade eben hatte das Volk Israel einen grossen Sieg gefeiert – die Ägypter ertranken im Schilfmeer –, hatte es das mächtige Wirken Gottes gesehen, hatte es das Siegeslied gesungen. Wie freudig mussten die Herzen der Israeliten gewesen sein! In diesem Gefühlsrausch, wenn ich das so nennen darf, traten sie ihren Weg in die Wüste an – und erkannten bald darauf, dass ihr Weg ein Weg der Entbehrungen, der Hitze, des Durstes und der Einöde war. So hocherfreut die Israeliten vom Schilfmeer aufbrachen, so ernüchtert kamen sie in Mara an.

Wenn jemand heute neu zum Glauben kommt, dann hat er erkannt, was der Herr für ihn getan hat. Er weiss, wie grossartig das ist, was sich in seinem Leben gerade ereignet hat. Wenn er sich dann noch taufen lässt und so aus dieser Welt errettet wird, dann hat er noch umso mehr Grund, dem Herrn zu danken und sich an Ihm zu freuen. Das Glaubensleben beginnt mit einem Hochgefühl, das jenem der Israeliten am Schilfmeer entspricht. Doch wenn die Wochen und Monate ins Land ziehen, legt sich bei vielen diese Freude. Sie erkennen, dass sie sich noch immer in dieser Welt befinden, dass sie neu mit Entbehrungen zu kämpfen haben, die sie vorher nicht kannten. Sie erkennen aber auch, dass das Fleisch noch immer wirksam ist und sich regt, dass sie nicht fähig sind, den Willen des Herrn völlig zu tun. Sie finden, dass ihr Leben nicht von Wundern und Zeichen bestimmt wird, sondern von der Abhängigkeit vom Herrn in der Stille. Leider ernüchtert dies die meisten von uns, weil wir etwas anderes erwarten.

Tatsache ist aber, dass dies der Weg ist, den der Herr für uns vorgesehen hat. Er will nicht, dass wir gleich zu Beginn unseres Weges in den Kampf ziehen. Vielmehr ist Er darauf bedacht, uns zuerst in Seine Nähe zu bringen – und in der Wüste sind wir mehr als woanders darauf angewiesen, bei Ihm zu sein – und uns auszubilden. Solange wir insbesondere nicht gelernt haben, dass Er es ist, der den Kampf für uns führt, sind wir nicht tauglich, in den Kampf zu ziehen; wir würden stets unterliegen. Würden wir Seine Wege mit Seinen Augen sehen und verstehen, wir wären Ihm über alle Massen dankbar, dass Er uns in die Einöde geführt hat!

Noch etwas will uns aber der Herr in der Wüste aufzeigen, und das ist die Lektion von Mara: In der Wüste gibt es absolut nichts, das unseren Hunger und Durst stillen kann. In der Wüste finden wir weder Fleischtöpfe noch Brot bis zur Sättigung 2. Mose 16, 3, wie das in Ägypten – dem Schein nach – der Fall gewesen ist. Und finden wir etwas, das so aussieht, als könnte es unsere Bedürfnisse befriedigen, eine Oase Mara, so müssen wir, nachdem wir vom Wasser gekostet haben, erkennen, dass wir uns getäuscht haben.

Für einen Menschen, der nicht zum Glauben an den Herrn gekommen ist, bietet die Welt alles, was er meint zu benötigen. Weil ihn die Sklaverei der Welt nicht stört, und weil er sich nicht danach sehnt, das zu haben, was die Welt ihm nicht bieten kann – Gemeinschaft mit und Leben im Herrn Jesus –, ist er im Grossen und Ganzen völlig zufrieden. Er meint, an den Fleischtöpfen zu sitzen und Brot bis zur Sättigung zu haben, während er in Tat und Wahrheit versklavt wird und harte Arbeit leisten muss. Ja, er realisiert nicht einmal, dass der Fürst der Welt seine Kinder frisst!

Wenn aber ein Mensch zum Glauben kommt, dann werden ihm die Augen geöffnet. Er erkennt, dass die Welt von einem bösen Fürsten beherrscht wird, der die Menschen versklavt, ihre Kinder töten lässt und sie ins Verderben führt. Er erkennt aber auch, dass vieles von dem, was uns in der Welt Freude und Befriedigung verspricht, einen bitteren Beigeschmack hat. Die Befriedigung ist eine kurzzeitige, die Sache verunehrt den Herrn etc. Hat sich ein Mensch beispielsweise zuvor daran erfreut, viel und hart zu arbeiten, um seine eigene Karriere voranzutreiben, so bemerkt er nun, dass er keine Zeit für die Gemeinschaft mit dem Herrn mehr findet, dass er seine Familie die ganze Zeit über vernachlässigt hat, dass er im Grunde nichts anderes mehr getan hat als zu arbeiten und zu schlafen. Was ihm früher süss schien, schmeckt nun bitter.

Je früher ein Gläubiger erkennt, dass es in der Welt wirklich rein gar nichts gibt, das seinen Hunger oder Durst stillen kann, desto besser. So wird er keine Umwege mehr gehen, um Oasen zu finden, deren Wasser bitter ist, sondern er wird sich voll und ganz an den Herrn halten und reines, süsses Wasser von Ihm erbeten. Der Herr lässt sich aber gerne erbarmen und gibt:

25 Und er schrie zu dem Herrn, und der Herr wies ihm ein Holz; und er warf es in das Wasser, und das Wasser wurde süss. Dort gab er ihm Satzung und Recht, und dort prüfte er es. 2. Mose 15, 25

Die Lösung für das Problem ist, und so ist es meistens, ein Holz – ein Stück Holz, das vom einzigen Holz spricht, das all unsere Probleme löst: Das Kreuz von Golgatha, an welchem der Herr Jesus Sein kostbares Leben gelassen hat. Es ist beachtenswert, dass der Herr hier (noch) nicht einen Felsen spaltet und aus diesem Wasser fliessen lässt, sondern das bittere Wasser durch das Holz in süsses Wasser verwandelt. Wiewohl in beiden Fällen deutlich wird, dass nur in Ihm reines, süsses Wasser zu finden ist, und Er uns dieses gerne und kostenlos gibt (vgl. Jes 55, 1. 2), so ist es doch ein Unterschied, ob bitteres Wasser in süsses verwandelt wird, oder ob süsses Wasser dort entspringt, wo vorher kein Wasser war.

Im ersten Fall hat die Berührung mit dem Kreuz nämlich zur Folge, dass das, was zuvor ungeniessbar, nun plötzlich wieder geniessbar wird. Was uns vorher keine Freude und Befriedigung verschaffen konnte, was unseren Hunger und Durst nicht stillen konnte, ist nun plötzlich geeignet, unserem Bedürfnis zu begegnen. Natürlich ist es der Herr, der unseren Hunger und Durst stillt, und es ist die Berührung mit Ihm, die etwas Bitteres süss machen kann. Aber doch bleibt das Wasser von Mara das Wasser von Mara. Eine Sache, die zuvor nicht gut war, ist nun gut. Das heisst, dass wir zusammen mit dem Herrn uns in dieser Welt bewegen und uns die Dinge dieser Welt nutzbar machen können. Um das obige Beispiel nochmals aufzugreifen: Wenn ein Gläubiger erkennt, dass er mit seinen unangebrachten Karriereansichten vieles zerstört hat oder im Begriff steht, vieles zu zerstören, so kann er diese Sache dem Herrn hinlegen. Es kann dann durchaus sein, dass der Herr ihm einen Weg weist, wie er weiterhin am selben Ort arbeiten und vielleicht sogar auch noch Karriere machen kann, aber auf eine Art und Weise, die Ihn ehrt. Wir sind nicht gehalten, uns völlig aus der Welt zurückzuziehen, aber wir sind gehalten, alles dem Herrn hinzulegen und alles gemeinsam mit Ihm anzugehen. Er vermag, das Wasser von Mara süss zu machen.

Elim

Israel zog danach weiter und kam an eine zweite Oase: 27 Und sie kamen nach Elim, und dort waren zwölf Wasserquellen und siebzig Palmen; und sie lagerten dort am Wasser 2. Mose 15, 27. Elim ist ein gänzlich anderer Ort als Mara, was auf den ersten Blick klar ist. Dort gab es zwölf (eine Vollzahl) Wasserquellen und siebzig (ebenfalls eine Vollzahl) Palmen, Wasser und Schatten im Übermass. Elim ist keine Oase, die in der Welt zu finden ist, auch wenn Israel quasi genau gleich nach Elim kam wie nach Mara. Vielmehr spricht Elim von einem besonderen Ort der Ruhe und der Erquickung, der – wir haben es schon gesehen – nur im Herrn zu finden ist. Elim ist aber auch nicht das Gute Land, nicht das Ziel des Weges, das jenseits des Jordan liegt, sondern ein Zwischenhalt.

In Seiner Gnade lässt uns der Herr auf unserem Weg, der beschwerlich und mit Entbehrungen verbunden ist, von Zeit zu Zeit an besondere Orte der Erquickung kommen, die das endgültige Ziel, Kanaan, vorausschatten, uns einen kleinen Einblick in die dortige Herrlichkeit verschaffen. Es mag sein, dass wir dem Herrn im Gebet in besonderer Weise nahe kommen, oder dass wir auf besondere Weise einen Dienst für Ihn verrichten dürfen. Auch andere Dinge sind natürlich denkbar. Jedenfalls spricht Elim von ganz besonderen Zeiten, in denen wir dem Herrn besonders nahe sind – so, als wären wir bereits im Guten Land. Ich bin gewiss, dass wir diese Zeiten benötigen, um nicht in der Wüste umzukommen, und dass der Herr diese Zeiten so häufig schenkt, wie wir sie benötigen. Sie veranschaulichen uns, wo der Weg hinführt, und sie sprechen bereits von der verborgenen (vgl. Röm 8, 19) Tatsache, dass wir geistlich gesehen bereits an diesem Ort sind: 6 Und hat uns mitauferweckt und uns mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern in Christus Jesus Eph 2, 6.

Es gibt leider Geschwister, die den Weg aus den Augen verlieren, weil sie von einer Oase Elim zur nächsten gelangen wollen. Ihr Ziel ist es, ein weiteres Mal die Ruhe und Stärkung von Elim zu finden, anstatt den Weg zum Guten Land zurückzulegen. Sie verkennen, dass es wichtiger ist, dem Herrn anzuhangen und Seinen Weg zu gehen, aber auch, dass Er sie so oft an eine weitere Oase Elim hinführen wird, wie sie es benötigen. Wir sollen nicht danach streben, ein weiteres Mal nach Elim zu kommen, sondern vielmehr danach, beim Herrn zu bleiben, den Weg zu gehen, den Er für uns vorgesehen hat. Wir werden oft genug an eine Oase wie Elim gelangen, wenn wir diesen Weg gehen, und am Ende dürfen wir vor dem Jordan stehen, das Gute Land sehen und hinübergehen. Gehen wir diesen Weg!