Nachfolge
Eden
8 Und Gott der Herr pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten, und dorthin setzte er den Menschen, den er gebildet hatte. 9 Und Gott der Herr liess aus dem Erdboden allerlei Bäume wachsen, lieblich anzusehen und gut zur Speise; und den Baum des Lebens in der Mitte des Gartens, und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. 15 Und Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, ihn zu bebauen und ihn zu bewahren. 16 Und Gott der Herr gebot dem Menschen und sprach: Von jedem Baum des Gartens darfst du nach Belieben essen; 17 aber vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen, davon sollst du nicht essen; denn an dem Tag, da du davon isst, musst du sterben. 1. Mose 2, 8. 9. 15–17
Die Geschichte ist bekannt: Der Herr setzte den Menschen in den Garten Eden, verbot ihm, vom Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen zu essen, die Schlange verführte den Menschen, er ass und fiel in Sünde. Interessant ist, wie plump eigentlich die Verführung durch die Schlange war, und dass sich der Mensch trotzdem verführen liess.
Bedenken wir: Gott schuf die Erde und alles, was darauf ist. Er machte alles sehr gut und gestaltete zuletzt einen herrlichen, paradiesischen Garten mit Bäumen, die nicht nur gut zur Speise waren, sondern auch lieblich anzusehen. In die Mitte des Gartens setzte Er den Baum des Lebens – wer davon ass, lebte ewig. Dann machte Er den Menschen, setzte ihn in den Garten und gab ihm den Auftrag, den Garten zu bebauen und zu bewahren. Weiter gab Er dem Menschen praktisch völlige Freiheit, nach Belieben zu essen, mit der bekannten, einzigen Einschränkung. Schliesslich fand der Herr, dass es für den Menschen nicht gut sei, alleine zu sein, weshalb Er die Frau erschuf. Welchen Stellenwert nimmt da das Verbot ein? Doch eigentlich nur einen sehr marginalen. Der Mensch hatte von allem, was er begehrte, mehr als genug. Er hatte seine Frau, befand sich am besten nur denkbaren Ort, durfte nach Belieben essen, der Garten erfreute seine Augen, er durfte einer verantwortungsvollen Aufgabe nachgehen – der Garten war ihm völlig anvertraut –, der Herr besuchte ihn regelmässig, er konnte ungetrübte Gemeinschaft mit dem Herrn haben, was völlige Freude und Befriedigung bedeutete, war er doch für diese Gemeinschaft geschaffen, und ein Biss in die Frucht des Baumes des Lebens hätte ewiges Leben gebracht. Mit einem Wort: Besser konnte es dem Menschen gar nicht gehen. Es fehlte ihm nicht nur nichts, sondern er hatte im Gegenteil von allem, was er sich nur hätte wünschen können, im Überfluss.
War es für den Menschen in dieser Situation notwendig, zwischen Gut und Böse unterscheiden zu können? Hätte es nicht genügt, sich bei allfälligen Fragen an den Herrn zu wenden und auf Sein Urteil zu vertrauen? Der Herr hatte doch eindrücklich bewiesen, dass Er es mehr als gut mit dem Menschen meinte. Zudem hat Er den völligen Überblick, weiss alles, lenkt alles. Wenn ein Mensch vor einer Entscheidung steht, steht er oft wie vor einem Berg, und zwar so nah, dass er nur einen Teil einer Felswand sieht. Der Herr aber thront so weit über diesem Berg, dass Er alles vollkommen beurteilen und entsprechend die rechte Antwort geben kann. In Eden war Er zudem so gegenwärtig, dass sich der Mensch jederzeit an Ihn hätte wenden können. Auch wenn es unpopulär ist, so etwas zu schreiben: Es war überhaupt nicht notwendig, zwischen Gut und Böse unterscheiden zu können; der Mensch war gut beraten, sich einfach an den Herrn zu wenden und darauf zu vertrauen, was Er sagte. Unpopulär ist eine solche Aussage, weil sie den Menschen quasi entmündigt – Er entscheidet nicht alleine, sondern jemand anders für ihn. Trotzdem kann, wenn man davon ausgeht, dass es sich so verhielt, wie geschrieben steht, nicht ernsthaft behauptet werden, der Herr hätte nicht zum Besten des Menschen geantwortet.
So gesehen, kann das Verbot, vom Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen zu essen, auch als Frage interpretiert werden: «Vertraust du mir völlig?» Der Mensch vertraute nicht. Der Mensch misstraut auch heute noch. Die Beziehung zwischen Gott und den Menschen ist entscheidend von (einseitigem) Misstrauen geprägt. Die neu gewonnene Möglichkeit, zwischen Gut und Böse unterscheiden zu können, hat uns keinen Gewinn gebracht – im Gegenteil.
Heute
Der Mensch hat sich also im Garten Eden klar gegen Gott entschieden. Er wollte nicht Ihm vertrauen, sondern selber urteilen, selber entscheiden. Wie erwähnt, prägt uns diese Haltung auch heute noch. Wir wollen uns nicht unterwerfen, wollen nicht fremdbestimmt leben, wollen selber entscheiden und tun, was uns recht dünkt. Wir wollen uns nicht sagen lassen, was wir zu tun und zu lassen haben.
Der Herr hätte alles Recht zu sagen: «Ihr habt gehabt und nicht gewollt, nun könnt ihr die Suppe, die ihr euch eingebrockt habt, selbst auslöffeln!» Wenn wir selbst zwischen Gut und Böse unterscheiden können, dann ist es nur gerecht, wenn wir selber dafür einzustehen haben, wenn wir uns für das Böse entscheiden. Das ist nichts anderes als die Kehrseite der von uns gewünschten Selbstverantwortung. Weil es so ist, dass wir das Böse zwar erkennen, uns aber die Kraft fehlt, es zu meiden (Röm 7, 18), führen unsere Wege letztlich stets dazu, dass wir uns immer weiter von Gott entfremden. Nach unserem Tod werden wir uns daher für ein verfehltes Leben zu verantworten haben; es ist mit einer Verurteilung und Bestrafung zu rechnen. In Seiner Gnade und Barmherzigkeit bietet Gott aber heute noch die Möglichkeit, wieder in eine richtige, ungetrübte Beziehung zu Ihm umzukehren. Er gab Seinen geliebten Sohn am Kreuz dahin, damit die Sünden gesühnt und die Macht der Sünde gebrochen würden, damit Er uns als «verlorene Söhne» wieder aufnehmen kann, ohne Seine Gerechtigkeit zu verletzen. Wer das freie Geschenk der Vergebung und Erlösung annimmt, kann einen echten Neuanfang machen.
Es liegt auf der Hand, dass dieser Neuanfang auch damit verbunden ist, nach dem Willen des Herrn für das eigene Leben zu fragen und danach zu tun. Würden wir weiterleben wie bisher, würde der Weg ja ähnlich enden, wie wenn wir nicht zum Glauben gekommen wären. Nein, zu glauben, bedeutet auch, einzusehen, dass der selbst gewählte Weg trügerisch und gefährlich war und ins Verderben geführt hätte. Das ist eigentlich völlig einleuchtend und logisch.
Trotzdem tun sich viele Christen schwer damit, dem Herrn nachzufolgen und zu gehorchen. Nachfolge und Gehorsam werden als mühsame Pflicht, als Beschwernis empfunden. Häufig ist im Zusammenhang damit die Rede von «müssen» und «sollen»; man schickt sich gleichsam darin, dass das halt zum Christenleben gehöre. Das alles könnte aber nicht verkehrter sein!
Blenden wir nochmals zurück: Der Herr hat dem Menschen von allem nur das Beste zur Verfügung gestellt und auch, nachdem der Mensch das alles verworfen hatte, immer wieder unter Beweis gestellt, dass Er nur das Beste für uns will. Er gab zuletzt Seinen einzigen Sohn, liess Ihn in Knechtsgestalt auf die Erde kommen und den schmächlichen, schmerzhaften Tod am Kreuz sterben, damit wir zu Ihm zurückkehren können. Er warb jahrhundertelang um ein Volk, das Er besonders gesegnet hatte, das sich aber gegen Seinen Willen sträubte. Er wirbt heute noch um jeden einzelnen Menschen, ist an unseren Leben aufrichtig und ernsthaft interessiert, will nicht, dass wir verloren gehen, sondern will, dass wir gerettet werden. Wer die Bibel durchliest, wird feststellen, wie viel dem Herrn am Wohl des Menschen liegt.
Dann wissen wir auch, dass Er der gute Hirte ist, der uns als Seine Schafe weidet. Ja, wohin will Er uns denn führen? Auf schlechte Weiden, zu trüben Wassern, in gefährliches Gebiet? Nein! Er will uns auf saftige Weiden, zu frischen Wassern, weg von Gefahren führen. Er will uns das Bestmögliche zukommen lassen, will, dass es uns in allem gutgeht. Natürlich kann der Weg hie und da durch das Tal des Todesschattens führen und beschwerlich sein – keine Frage! Aber darum geht es nicht. Es geht schlicht und einfach darum, wohin wir gelangen wollen.
Diesbezüglich gibt es genau zwei Möglichkeiten: Entweder gelangen wir an den Ort, an den Gott uns führen möchte, oder wir gelangen an einen anderen Ort, der uns besser dünkt. Es ist immer dasselbe: Entweder folgen wir Gott nach oder wir gehen eigene Wege. Die eigenen Wege mögen oft sehr viel verlockender erscheinen als die Wege Gottes – auch Adam und Eva erschien die Frucht des Baumes der Erkenntnis von Gut und Böse verlockender als alles andere. Sie führen aber ins Elend (Spr 14, 12; Spr 16, 25). Auch wenn wir in einer bestimmten Situation den Ausgang der beiden zur Verfügung stehenden Wege nicht erkennen können, wissen wir doch, was der Ausgang sein wird, denn Gott selbst hat es uns klar dargelegt. Die entscheidende Frage ist daher jeweils: Glauben wir, was Gott gesagt hat? Glauben wir, dass Er es wirklich sehr gut mit uns meint? Wenn wir diese Frage mit Ja beantworten, dann kann es keinen Zweifel darüber geben, welcher Weg zu wählen ist.
Nachfolge ist also keine mühsame Pflicht; Nachfolge ist ein Privileg. Nachfolge heisst, der Herr zeigt uns den rechten Weg und geht uns voraus. Wir dürfen hinterher gehen und so zum optimalen Ziel gelangen. Natürlich heisst das, nicht zu tun, was einen selbst richtig dünkt, sondern sich dem Willen des Herrn zu beugen; natürlich ist das sehr unpopulär. Aber ganz ehrlich: Ich verzichte lieber darauf, zwischen Gut und Böse unterscheiden zu können, wenn ich dafür im Garten Eden sein kann. Ich gehe lieber den Weg, den der Herr mir zeigt, und komme dafür an ein besseres Ziel, als dass ich eigene Wege gehe. Früher wollte ich selbstbestimmt leben, heute bin ich froh, dass ich an der Hand genommen und geführt werde. Nachfolge ist keine Pflicht, sondern ein Vorrecht.
Lassen wir uns von dieser einfachen Tatsache, die so offensichtlich ist, nicht ablenken. Es gibt immer viele gut erscheinende Gründe, doch den andern Weg zu gehen. Aber immer bedeutet, den Weg Gottes zu verlassen, Seine Nähe zu verlassen, sich in Gefahr zu begeben und das für ein schlechteres Ziel. Eine solche Entscheidung ist immer dumm. Daran gibt es nichts zu rütteln.
Deshalb wollen wir uns beständig gegenseitig ermutigen – dieser Artikel soll eine solche Ermutigung sein –, den richtigen Weg zu gehen, den, der zum besten Ziel führt. Glauben wir: Gott meint es aufrichtig gut! Wandeln wir im Glauben und nicht im Schauen! Amen.