Ungeteilte Aufmerksamkeit
«Freund, ich habe hier kostbares Olivenöl. Möchtest du gerne etwas davon haben? Du musst mir nur ein Gefäss geben, in das ich dir etwas von meinem Öl abfüllen kann.» – «Gerne! Ich habe hier ein passendes Gefäss. Es ist zwar noch etwas verranzt, aber für dein Öl reicht das schon. Ach, und dann habe ich hier noch eine Flasche, die bloss noch zur Hälfte mit Sirup gefüllt ist. Die kannst du auch mit deinem Öl auffüllen!» Das kann keine Szene aus dem Alltag sein. Niemand würde auf die Idee kommen, kostbares Öl in ein verranztes oder bereits zur Hälfte mit etwas anderem gefülltes Gefäss einfüllen zu lassen. Das Öl würde doch im ersten Fall nach wenigen Tagen stinken wie Gülle und wäre im zweiten Fall schon von Beginn weg ungeniessbar. Jeder würde sich kostbares Öl nur in ein sauberes und leeres Gefäss abfüllen lassen. Oder etwa doch nicht?Tatsächlich gibt es Christen, die meinen, sie könnten sich etwas Öl in ein unreines oder anderweitig gefülltes Gefäss abfüllen lassen. Auf diese Idee kämen sie natürlich nie, wenn es um Öl selbst ginge, aber doch, wenn es um Öl im übertragenen Sinn geht. Öl ist in der Bibel ein Bild für den Heiligen Geist. Die Könige und Priester Israels wurden mit Öl gesalbt. Dies war das Zeichen dafür, dass der Geist Gottes sie für ihre Aufgabe ausersehen hatte und sie darin unterstützen wollte. Im Gottesdienst Israels nahm Öl eine wichtige und bezeichnende Stellung ein. Dann wird der Mensch verschiedentlich als Gefäss bezeichnet. Man könnte sagen, unser Leib sei das Gefäss für die Seele und den Geist, aber es ist auch so, dass wir insgesamt ein Gefäss sind. Unsere Seele kann ebenfalls mit einem bestimmten Inhalt gefüllt sein. Wer verliebt ist, denkt bloss an die geliebte Person und wird vom Gefühl des Verliebtseins erfüllt. Die Seele ist dann entsprechend «gefüllt». Wer von Sorgen gequält wird, denkt und fühlt entsprechend. Der Mensch ist also insgesamt ein Gefäss, das mit einem bestimmten Inhalt gefüllt werden kann. Wenn ein Mensch an Gott glaubt, wie die Schrift sagt, dann will ihn der Himmlische Vater eben mit Öl füllen, mit dem Heiligen Geist. So steht etwa geschrieben: 19 Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib der Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt, den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euer selbst seid?
1. Kor 6, 19 und: Berauscht euch nicht mit Wein, in dem Ausschweifung ist, sondern werdet mit dem Geist erfüllt
Eph 5, 18. So bietet Gott also gewissermassen jedem Christen an, ihn mit dem kostbaren Heiligen Geist zu füllen. In diesem Zusammenhang gibt es nun leider Christen, die meinen, ein unreines oder bereits zur Hälfte gefülltes Gefäss tue es auch. Wie traurig!
Besonders schlimm ist es, wenn ein Christ, der doch um den Preis des kostbaren Blutes Jesu Christi erkauft worden ist, in bewusster Sünde lebt. Ein solches Gefäss taugt bloss dazu, zerschlagen zu werden. Oder hat man je gehört, dass kostbares Gut in ein durch und durch verranztes Gefäss gegeben worden ist? Wer solches täte, wäre doch wohl nicht bei Sinnen. Um solche unreine Gefässe soll es hier jedoch nicht gehen. Diesbezüglich kann in 2. Tim 2, 20. 21 alles gefunden werden, was von Bedeutung ist. Leider taugen aber auch die halbvollen Gefässe zu nicht allzu viel mehr als die unreinen Gefässe. Die verschiedenen Inhalte vertragen keine Vermischung und es fehlt an kostbarem Platz. Was ist nun aber ein bereits gefülltes Gefäss? Ein gefülltes Gefäss ist ein Mensch, dessen Denken oder Fühlen bereits von einer Sache in Beschlag genommen worden ist, also jemand, der sich in Gedanken mit einer Sache beschäftigt, die seine Aufmerksamkeit benötigt und Ressourcen bindet. Eine solche Sache können ein starkes Verlangen nach etwas sein, ein starkes Gefühl des Verliebtseins, Sorgen, die zuviel Raum im Denken einnehmen, Gewissensbisse, Schuldgefühle, Freude an einer Sache, Freizeitbeschäftigungen oder auch ein Film oder ein Buch, der bzw. das einen in Gedanken noch beschäftigt. Natürlich denken wir alle nicht ausschliesslich und jederzeit an geistliche Dinge. Wir müssen uns ja auch im Alltag bewähren, haben ein Leben hier zu meistern, üben vielleicht eine Arbeit aus, die überdurchschnittlich viel Konzentration von uns verlangt und uns geistig ermüdet und so weiter. Wenn wir aber in unserer Freizeit uns mit Dingen beschäftigen, die unsere Sinne gefangen nehmen, oder wenn wir mit zu grossem Engagement einer Freizeitbeschäftigung nachgehen oder unsere Gedanken oder Gefühle sonstwie gefangen nehmen lassen, dann füllen wir uns zusätzlich mit Unnötigem, Hinderlichem. Wir binden dann mehr Ressourcen als notwendig wäre und es verbleibt weniger Raum für den Heiligen Geist. Nicht selten vertragen sich die verschiedenen Inhalte dann auch nicht. Was uns (über Gebühr) beschäftigt, verträgt sich nicht mit dem Heiligen Geist und umgekehrt. Dann hindern wir das Werk, das der Herr in uns und durch uns tun will. Im Alten Testament findet sich eine Begebenheit, die diesbezüglich äusserst anschaulich ist:
1 Und eine Frau von den Frauen der Söhne der Propheten schrie zu Elisa und sprach: Dein Knecht, mein Mann, ist gestorben, und du weisst ja, dass dein Knecht den Herrn fürchtete; und der Schuldherr ist gekommen, um sich meine beiden Knaben zu Knechten zu nehmen. 2 Und Elisa sprach zu ihr: Was soll ich für dich tun? Sage mir, was du im Haus hast. Und sie sprach: Deine Magd hat gar nichts im Haus als nur einen Krug Öl. 3 Und er sprach: Geh hin, erbitte dir Gefässe von draussen, von allen deinen Nachbarn, leere Gefässe, nimm nicht wenige; 4 und geh hinein und schliesse die Tür hinter dir und hinter deinen Söhnen zu und giesse in alle diese Gefässe; und was voll ist, setze beiseite. 5 Und sie ging von ihm weg und schloss die Tür hinter sich und hinter ihren Söhnen zu; diese reichten ihr die Gefässe, und sie goss ein. 6 Und es geschah, als die Gefässe voll waren, da sprach sie zu ihrem Sohn: Reiche mir noch ein Gefäss. Aber er sprach zu ihr: Es ist kein Gefäss mehr da. Und das Öl stand. 2. Kön 4, 1–6
So will der Herr jedem Christen tun: Alles, was an Platz vorhanden ist, will Er mit Seinem kostbaren Geist füllen. Was ist nun das limitierende Element? Ist es das Öl, das vorhanden ist? Ist es die Fülle Gottes? Ist es die Grosszügigkeit Gottes? Nein, es ist der vorhandene Platz. Alle Gefässe, die da waren, wurden bis zum Rand gefüllt. Wären mehr Gefässe vorhanden gewesen, wären noch mehr gefüllt worden. Hatte nicht Elisa, der Mann Gottes, gesagt: Nimm nicht wenige
? Wenn also ein Christ dem Herrn dienen will, stellt sich nicht nur die Frage, wieviel Zeit er dem Herrn widmen will. Es ist auch entscheidend, wie intensiv ein Christ Gemeinschaft mit dem Herrn haben will. Wenn unser Geist noch mit diesem und jenem gefüllt ist, haben wir nicht viele Gefässe, die der Herr mit Seinem Öl füllen kann.
Einem Christen, der in Gedanken noch diesem und jenem nachsinnt, kann der Herr auch nur einfachste Arbeiten übertragen. Das ist in der Welt auch nicht anders. Einem Arbeiter, der während seiner Arbeit Musik hört oder noch dieses und jenes tut, kann man keine anspruchsvollen Tätigkeiten übertragen. Die Gefahr, dass er Fehler macht, weil er sich nicht zu hundert Prozent konzentriert, ist zu gross. Wer seine Arbeit halbherzig oder mit halber Aufmerksamkeit verrichtet, wird auch nicht allzu rasch vorankommen – es sei denn, es handle sich um die einfachste Form einer Arbeit, bei der man den Kopf nicht bei der Sache haben muss. Wer anspruchsvolle Arbeiten verrichten und im Beruf vorankommen will, der muss den Kopf voll bei der Sache haben, weil er nur so qualitativ einwandfreie Ergebnisse wird vorweisen können. Genauso ist es auch in der Arbeit für den Herrn. Wer nur beizeiten dem Herrn dienen will oder Ihm nicht die ungeteilte Aufmerksamkeit widmen kann, der wird keine anspruchsvolle Arbeiten übertragen erhalten. Denken wir nicht nur daran, wenn wir das nächste Mal dem Herrn dienen wollen, sondern auch dann, wenn sich die Frage stellt, ob wir uns zum Beispiel am Samstagabend noch einen Film ansehen wollen, der uns am Sonntagmorgen noch beschäftigen und unsere Gedanken gefangen nehmen könnte. Findet der Herr bei uns saubere und leere Gefässe vor?