Verantwortung
Schon die ersten Menschen hat Gott mit dem Thema Verantwortung konfrontiert. Er hat ihnen einen perfekten Garten zur freien Verfügung gestellt, ihnen aber gleichzeitig geboten, den Garten zu bebauen und zu bewahren (1. Mose 2, 15). Sie haben also über gewisse Ressourcen (Boden, Bäume, Sträucher, Früchte, aber auch Zeit und Fähigkeiten usw.) verfügt, die sie so oder anders haben nutzen können. Es ist ihnen frei gestanden, den Garten zu pflegen und zu bewahren, wie es der Herr geboten hatte, oder aber den Garten verwildern zu lassen oder über Gebühr von seinen Früchten zu ernten. Heute ist es nicht anders: Jeder Mensch verfügt über Ressourcen, die er klüger oder weniger klug einsetzen kann; jedem obliegt eine Verantwortung, wie er mit seinen Ressourcen umgeht. Aus unzähligen Stellen der Bibel wissen wir Christen, dass wir Verwalter Gottes sind, die einst werden Rechenschaft darüber abgeben müssen, wie mit den Ressourcen umgegangen worden ist. Diesbezüglich sind die Könige Israels (die über die weitreichendsten irdischen Ressourcen verfügt haben) ein anschauliches Vorbild. Einige haben ihre Ressourcen sinnvoll genutzt, andere nicht. Zwei Beispiele sind Josia und sein Sohn:
11 Denn so spricht der Herr von Schallum, dem Sohn Josias, dem König von Juda, der König wurde an seines Vaters Josia statt und der aus diesem Ort weggezogen ist: Er wird nicht mehr hierher zurückkehren, 12 sondern an dem Ort, wohin sie ihn weggeführt haben, dort wird er sterben, und er wird dieses Land nicht wieder sehen. 13 Wehe dem, der sein Haus mit Ungerechtigkeit baut und seine Obergemächer mit Unrecht, der seinen Nächsten umsonst arbeiten lässt und ihm seinen Lohn nicht gibt; 14 der spricht: Ich will mir ein geräumiges Haus bauen und weite Obergemächer! Und er haut sich Fenster aus und deckt mit Zedern, und er streicht es an mit Zinnober. 15 Bist du ein König, weil du in Zedern wetteiferst? Hat nicht dein Vater gegessen und getrunken und Recht und Gerechtigkeit geübt? Da ging es ihm gut. 16 Er hat dem Elenden und dem Armen zum Recht verholfen; da stand es gut. Heisst das nicht, mich zu erkennen?, spricht der Herr. Jer 22, 11–16
Josia und sein Sohn Schallum haben beide über beachtliche Ressourcen verfügt. Schallum ist in der Lage gewesen, prächtige Bauten zu errichten; Josia hat (wohl reichlich) gegessen und getrunken. Diese Ressourcen haben sie aber völlig unterschiedlich eingesetzt: Josia hat es sich zwar durchaus auch gut gehen lassen, aber er hat auch Recht und Gerechtigkeit geübt – und deshalb ist es ihm gut gegangen. Sein Sohn Schallum hat dagegen getan, was ihm gerade recht erschien, und er hat seine Ressourcen zu seinem eigenen Vorteil verwendet. Statt für Recht und Gerechtigkeit zu sorgen, hat er in Zedern gewetteifert. Sein Vermögen hat er dafür verwendet, alle anderen bezüglich der Bauweise der Häuser zu übertrumpfen. Recht und Gerechtigkeit innerhalb seines ihm anvertrauten Volkes haben ihn nicht interessiert; sein Interesse galt den Prunkbauten. Zu Recht hat der Herr ihn gefragt: «Bist du dafür König geworden?»
Wir Christen sind gesegnet mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern (Eph 1, 3). Nicht allen von uns stehen nennenswerte irdische Ressourcen zur Verfügung, aber wir alle verfügen über reichlich geistliche Ressourcen (vgl. z. B. Jak 5, 16). Wie gehen wir mit diesen Ressourcen um? Wetteifern wir damit oder lassen wir sie brach liegen oder verwenden wir sie sinnvoll? Es gibt Knechte des Herrn, die ihre Ressourcen bildlich gesprochen im Erdboden vergraben und nicht nutzen. Andere Knechte wollen sich selbst einen guten Namen verschaffen und missbrauchen dafür die Ressourcen des Herrn. Beides sind oberflächliche Haltungen. Sie entspringen nicht einem Herzen, das voll und ganz dem Herrn gehört, sondern einem Herzen, über das ein Mensch nach wie vor selbst verfügen will. Einige Christen meinen, es reiche, zwei, drei Grundregeln zu beachten und hin und wieder etwas Gutes zu tun. Bildlich gesprochen sind das Menschen, die über ein Millionenvermögen verfügen, aber so leben, als wären sie arm, und hie und da einige Franken für wohltätige Zwecke spenden, während ihr Millionenvermögen ungenutzt auf einem Bankkonto liegt und niemandem etwas nützt. Es braucht wohl nicht betont zu werden, dass eine solche Haltung nicht viel besser als ein Missbrauch von Ressourcen für Protzerei oder dergleichen ist.
Was bedeutet es nun, wie ein Josia gewissermassen die Ressourcen dafür zu verwenden, für Recht und Gerechtigkeit zu sorgen? Sollen wir unsere Ressourcen darauf verwenden, die Welt zu einem besseren Ort zu machen? Sollen wir jeden Tag mindestens eine gute Tat vollbringen? Sollen wir irgend einen Dienst in einer christlichen Gemeinde übernehmen? Sollen wir ein Bibelstudium in Angriff nehmen? … Die Antwort ist einfacher, als man vielleicht vermuten würde. Werfen wir einmal einen Blick darauf, wie der Herr Jesus Seine Ressourcen in einem bestimmten Fall genutzt hat:
13 Einer aus der Volksmenge aber sprach zu ihm: Lehrer, sage meinem Bruder, dass er das Erbe mit mir teile. 14 Er aber sprach zu ihm: Mensch, wer hat mich zum Richter oder Erbteiler über euch gesetzt? Lk 12, 13. 14
Für den Herrn Jesus wäre es doch ein Klacks gewesen, in dieser kleinen Sache eine völlig gerechte Lösung herbeizuführen. Er hätte nur einige Minuten benötigt, um eine Lösung aufzuzeigen, die sämtlichen anderen Lösungen bei Weitem überlegen gewesen wäre. Aber Er hat es nicht getan. Der Grund dafür ist gleichzeitig die Antwort darauf, wie wir unsere Ressourcen einsetzen sollen. Der Herr Jesus ist in jedem Augenblick Seines Lebens auf dieser Erde in völliger Übereinstimmung mit dem Willen des Himmlischen Vaters gewesen. Was immer Er getan, gesagt, gedacht oder eben nicht getan hat, hat Er auf das Geheiss des Himmlischen Vaters hin getan, gesagt, gedacht oder eben nicht getan. Er hat keinen einzigen Augenblick etwas selbst entschieden oder den Weg des Vaters verlassen. Jede Ressource, über die Er verfügt hat, hat Er so genutzt, wie es der Vater in den Himmeln wollte. Dadurch hat Er die einzig richtige Abgrenzung zwischen dem, wofür Er verantwortlich gewesen ist, und dem, wofür Er nicht verantwortlich gewesen ist, eingehalten. Weil der Vater voll und ganz über Sein Herz und Seine ganze Seele verfügen konnte, hat Er stets das Richtige getan und Seine Ressourcen optimal genutzt. So, wie dem Vater jede Form von Protzerei, Überheblichkeit, Egoismus, Faulheit und was weiss ich noch alles fremd ist, ist dies alles auch dem Herrn Jesus fremd gewesen – weil Er in völliger Übereinstimmung mit dem Vater gelebt hat.
Einmal mehr ist die Schlussfolgerung also, dass ein oberflächlicher Wandel zum Scheitern verurteilt ist. Wer sich bzw. sein Herz nicht völlig dem Vater hingibt, wird seine Ressourcen nicht optimal nutzen können. Nur, wer bereit ist, in jedem Augenblick zu tun, was der Vater in den Himmeln will, wird seine Ressourcen optimal nutzen. Wer bloss zwei, drei Grundregeln beachten und hie und da etwas Gutes tun will, wird seine Ressourcen verschwenden. Liebe Leser, abgesehen davon, dass Gott, der Herr Ihr ganzes Ich will, ist ein richtiger Wandel eigentlich recht einfach: Lassen Sie sich von Ihm leiten. Das ist alles. Je störrischer Sie sind, desto schwieriger ist diese einfache Regel allerdings umzusetzen. Und da wir alle von Natur aus störrische Esel sind, tun wir uns alle schwer damit, diese einfache Regel umzusetzen.
Darüber, wie unsere Ressourcen sinnvoll eingesetzt werden können, kann im Grunde nicht viel mehr gesagt werden. Nur die Bereitschaft, stets dem Willen Gottes zu gehorchen, muss bei allen gleichermassen vorhanden sein. Für den einen kann das aber bedeuten, nebst dem «gewöhnlichen Priesterdienst» (sich im Gebet für seine Nächsten – nach dem Willen Gottes – zu verwenden) vorerst keinen weiteren Dienst auszuüben. Für einen anderen bedeutet es, die Wochenenden dazu zu nutzen, Menschen in der Öffentlichkeit zur Umkehr aufzurufen. Für wieder einen anderen bedeutet es, eine Aufgabe zugunsten der Gemeinschaft der Gläubigen, der er angehört, zu übernehmen. Wieder ein anderer hat Artikel oder Kommentare zu schreiben. Für jeden Menschen hat Gott einen anderen Weg vorgesehen, nur müssen alle sich Ihm voll und ganz hingeben, um diesen Weg gehen zu können. Letztlich wird von niemandem mehr verlangt als von anderen, zumindest was die Treue anbelangt. Wer über mehr Ressourcen verfügt, muss absolut gesehen natürlich mehr geben, gibt aber relativ gesehen nicht mehr als die anderen. Alles entscheidet sich bei jedem daran, wie viel er von sich dem Herrn hingeben will. Das ist der springende Punkt. Amen.