Jesus Christus ist der Herr! Phil 2, 11

Vorbereitet sein

Der Herr Jesus als Vorbild

14 Und als sie zu der Volksmenge kamen, trat ein Mensch zu ihm und fiel vor ihm auf die Knie 15 und sprach: Herr, erbarme dich meines Sohnes, denn er ist mondsüchtig und leidet schwer; denn oft fällt er ins Feuer und oft ins Wasser. 16 Und ich brachte ihn zu deinen Jüngern, und sie konnten ihn nicht heilen. 17 Jesus aber antwortete und sprach: O ungläubiges und verkehrtes Geschlecht! Bis wann soll ich bei euch sein? Bis wann soll ich euch ertragen? Bringt ihn mir her. 18 Und Jesus gebot ihm ernstlich, und der Dämon fuhr von ihm aus; und der Knabe war geheilt von jener Stunde an. 19 Da traten die Jünger für sich allein zu Jesus und sprachen: Warum haben wir ihn nicht austreiben können? 20 Er aber spricht zu ihnen: Wegen eures Unglaubens; denn wahrlich, ich sage euch, wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, so werdet ihr zu diesem Berg sagen: Werde versetzt von hier nach dort!, und er wird versetzt werden; und nichts wird euch unmöglich sein. 21 Diese Art aber fährt nicht aus als nur durch Gebet und Fasten. Mt 17, 14–21

Gerade als der Herr Jesus mit drei auserwählten Jüngern vom «Berg der Verklärung» zurückkehrte, trat ein Mann zu ihm, der um Heilung für seinen besessenen Sohn bat. Die Jünger hatten ihm nicht helfen können. Von Interesse ist hier die Erklärung des Herrn Jesus, weshalb die Jünger den Dämon nicht hatten austreiben können. Er führte ihre Unfähigkeit einerseits auf ihren Unglauben und andererseits auf mangelnde Vorbereitung zurück. Mit mangelnder Vorbereitung ist gemeint, dass die Jünger erst hätten beten und fasten sollen. Das leuchtet uns allen irgendwie ein. Aber – weshalb konnte der Herr Jesus den Dämon ohne Weiteres austreiben? Hat Er gebetet und gefastet? Nein, Er wurde mit dem Problem konfrontiert und trieb den Dämon umgehend aus.

Man könnte nun sagen, dass beim Herrn Jesus alles etwas anders war, weil Er nicht nur Mensch, sondern auch Gott ist. Diese Erklärung würde aber zu kurz greifen. Der Herr Jesus hat nicht einfach in göttlicher Autorität das getan, was den Gläubigen nur mit weitgehender Vorbereitung möglich wäre. Nein, ich bin überzeugt, dass Er als Mensch den Dämon umgehend austreiben konnte, quasi ohne auf Seine göttliche Macht zurückgreifen zu müssen. Aber weshalb konnte Er das tun, wovon Er gerade davor Seinen Jüngern gesagt hatte, es sei nur mit vorgängigem Gebet und Fasten möglich? Die Antwort ist ganz einfach: Sein Leben war von Gebet und Fasten geprägt. Er war jederzeit für alles vorbereitet. Er benötigte keine besondere Vorbereitung, weil Er stets vorbereitet war.

Es braucht hier nicht in alle Details ausgeführt zu werden, sondern darf wohl als bekannt vorausgesetzt werden, dass der Herr Jesus stets in Abhängigkeit vom Himmlischen Vater wandelte. Er war mit Ihm während Seines gesamten Lebens aufs Innigste verbunden. Ja, Er tat nichts, ausser der Vater hatte es Ihm geboten (vgl. z. B. Joh 5, 19 und Joh 8, 28). Zwar gab es auch Zeiten im Leben des Herrn Jesus, in denen Er sich bewusst zum Gebet absonderte. Das Gebet ist aber letztlich nichts anderes als eine bestimmte Art, Gemeinschaft mit Gott im Himmel zu pflegen. Nebst diesen besonderen Zeiten pflegte der Herr Jesus stets, Gemeinschaft mit dem Himmlischen Vater zu pflegen. Alles, was Er tat, tat Er in Übereinstimmung mit dem Willen des Vaters. Die Gemeinschaft mit dem Vater kennzeichnete Sein gesamtes Leben, jedes Seiner Worte, jede Handlung, einfach alles. Es darf deshalb gesagt werden, dass die Haltung des Gebets den Herrn Jesus auch in den Zeiten kennzeichnete, in denen Er sich nicht zum Gebet absonderte.

Was das Fasten betrifft, so könnte man einwenden, der Herr Jesus habe nicht gefastet. Tatsächlich wurde Ihm und Seinen Jüngern der Vorwurf gemacht, sie seien Fresser und Säufer (vgl. Mt 9, 14 und Mt 11, 19). Es wird wohl so gewesen sein, dass Er sich weder von Wein noch von Essen enthalten hat, als Er hier war. Dennoch kennzeichnete Ihn eine Haltung des Fastens. Fasten bedeutet ja letztlich nichts anderes, als sich irdischer Freuden zu enthalten, um intensiver den Kontakt mit dem Vater in den Himmeln suchen zu können. Es bedeutet, dem Leib das vorzuenthalten, wonach er lechzt, um dem Geist mehr geben zu können, wonach er verlangt. Diese Haltung hatte der Herr Jesus. Er fastete vierzig Tage in der Wüste, liess nie zu, dass weltliche Freuden die Verbindung zum Vater störten und – wie herrlich und wunderbar ist Er doch! – entsagte und entsagt allen Früchten des Weinstocks, bis Er wiederkommt (Mt 26, 29, Mk 14, 25 und Lk 22, 18). Obwohl Er das grosse Werk am Kreuz vollbracht hat, obwohl Er alles gegeben und wieder erhalten hat, obwohl Er überwunden hat, obwohl Sein Werk vollbracht ist, entsagt Er sich jeder Freude, um sich voll und ganz für die Seinen zu verwenden. O, wie herrlich, wie anbetungswürdig ist unser Heiland! Wer ist Ihm gleich?

Man darf also sicherlich sagen, dass das Leben des Herrn Jesus durch Gebet und Fasten gekennzeichnet gewesen ist. Das war der Grund, weshalb Er den Dämon ohne besondere Vorbereitungen austreiben konnte. Er musste sich nicht zuerst zum Gebet absondern oder eine Fastenwoche oder dergleichen halten. Nein, Er kam ja gewissermassen vom Beten und Fasten und war daher ohne Weiteres in der Lage zu tun, was nur durch Gebet und Fasten getan werden konnte.

Man kann das mit einem einfachen Beispiel vergleichen. Angenommen, wir benötigen für eine bestimmte Aufgabe einen Ansprechpartner, der in Zürich zu finden ist. Wenn wir uns in St. Gallen aufhalten, müssen wir erst nach Zürich gehen, bevor wir unser Anliegen vorbringen können. Wir sind nicht dort, wo wir sofort unser Anliegen vorbringen können. Wir müssen erst dahin gehen. Befänden wir uns aber bereits in Zürich, könnten wir ohne Weiteres unser Anliegen vorbringen, und es würde gehört werden. Der Herr Jesus befand sich so gesehen jederzeit in Zürich. Wann immer es nötig war, konnte Er Sein Anliegen vorbringen, ohne erst an einen bestimmten Punkt gelangen zu müssen – Er war ja bereits dort. Bei den Jüngern war es anders. Die befanden sich irgendwo, nur nicht in Zürich. Als sie mit einem Anliegen konfrontiert wurden, hätten sie erst nach Zürich gehen müssen. Weil sie dies nicht taten, wurden sie nicht gehört.

Eine grundlegende Haltung

Wie oft sehen wir nun in der Christenheit, dass irgendwelche Aktionen durchgeführt werden. Da gibt es Fastenwochen für bestimmte Anliegen, Gebetsrunden für andere Anliegen, da bringt man sich am Sonntagmorgen «in Ordnung» oder – schlimmer noch – hofft, durch den Gottesdienst zurechtgerückt zu werden. Aktivismus lautet die Parole der Stunde. Wie sehr widerspricht das doch dem Vorbild des Herrn Jesus!

Wenn wir für bestimmte Anliegen eine Gebets- oder Fastenwoche oder dergleichen durchführen, geben wir dann nicht zu, dass unser Leben nicht durch Gebet und Fasten gekennzeichnet ist? Wäre unser Leben durch Gebet und Fasten gekennzeichnet, würden wir doch ohne Weiteres unser Anliegen Gott vorbringen und dann zuwarten, wie Er handelt. Wir würden dann keine besondere Gebets- oder Fastenwoche oder dergleichen benötigen. Das wäre völlig überflüssig.

Die entscheidende Frage ist nun, wie unsere Haltung ist. Gehören wir zur Fraktion, die für alle «grösseren Dinge» auf eingehende Vorbereitung schwört, oder gehören wir zur Fraktion, die versucht, einen Lebensstil des Gebets und des Fastens zu pflegen? Wenn wir den Herrn Jesus als unser Vorbild ansehen, ist klar, welcher Fraktion wir angehören sollten. Heilungsgottesdienste, Fastenwochen, Gebetsrunden, ein «sich in Ordnung bringen» vor oder – der Herr bewahre! – während des Gottesdienstes usw. usf. würden uns nichts sagen; wir würden das alles als überflüssig ansehen, weil wir versuchen würden, jederzeit für alles vorbereitet zu sein, die Verbindung mit dem Himmlischen Vater nie zu verlieren.

Einen Lebensstil des Gebets und des Fastens zu pflegen, bedeutet nicht, jederzeit frömmlerisch und «seltsam» zu sein. Der Herr Jesus war nie «seltsam». Er hielt für alle Menschen, denen Er begegnete, ein offenes Ohr, das rechte Wort und Segen bereit. Was immer Er tat, Er tat es aus der innigen Verbindung mit Gott heraus. Das ist das Geheimnis. Wir können unserem Broterwerb aus eigener Kraft nachgehen, Karriere machen und aus uns selbst gute Leistungen erbringen. Wir können unsere Arbeit aber auch als Ausbildungsstätte in den Dingen des Himmlischen Reiches sehen, unser Werk in Abhängigkeit vom Vater verrichten und die Augen dafür offen halten, was Er uns lehren will. Das sind zwei ganz verschiedene Haltungen, was leider schwer in Worte zu fassen ist. Haben wir die erstgenannte Haltung, müssen wir, wenn wir mit einer Aufgabe des Herrn konfrontiert werden, gewissermassen den Betriebsmodus wechseln. Wir müssen vom fleissigen Arbeiter wieder zum Christ «werden», was gar nicht so einfach ist und erst recht nicht innert Sekundenbruchteilen gelingen kann. Haben wir dagegen die andere, richtige Haltung, dann wird uns eine unerwartete Aufgabe nicht in Schwierigkeiten bringen. Wir können sie direkt aus der bestehenden Gemeinschaft mit dem Vater in den Himmeln heraus angehen. Wir müssen nicht von St. Gallen nach Zürich fahren, denn wir sind bereits in Zürich. Es genügt, die Arbeit kurz ruhen zu lassen und den Vater zu fragen, wie wir uns verhalten sollen. Weil wir bereits in der Gemeinschaft mit Ihm sind, wird Er uns sofort antworten und wissen lassen, was zu tun ist.

Letztlich sollte diese Erkenntnis keine neue sein. Jedem Christ sollte bewusst sein, dass von ihm gefordert – nicht gewünscht, gefordert! – wird, ständig Gemeinschaft mit dem Vater in den Himmeln zu pflegen. Die Notwendigkeit besonderer Aktionen ist letztlich nichts anderes als das Eingeständnis, dass wir nicht so unterwegs sind, wie wir unterwegs sein sollten.

Nicht, dass es nicht besondere Konstellationen gäbe, bei denen es angemessen wäre, eine besondere Gebetsrunde oder eine Zeit des Fastens zu halten. Wie erwähnt, sonderte sich auch der Herr Jesus zu bestimmten Zeiten zum Gebet ab. Aber solches sollte nicht eine Notwendigkeit sein, überhaupt ein Anliegen vor Gott vorbringen zu können, sondern mehr, besonderen Nachdruck auf etwas zu legen. Gebetsrunden oder Fastenzeiten können durchaus ihre Berechtigung haben. Nur sollten sie nicht die Mittel der Wahl sein, überhaupt mit Gott in Verbindung zu treten.