Jesus Christus ist der Herr! Phil 2, 11

Wiederaufbau

Die frühere Herrlichkeit des Tempels und die Rückkehr

In 1. Kön 6. 7 finden wir eine Beschreibung der Herrlichkeit des Tempels des Herrn, welchen Salomo in Seinem Auftrag (2. Sam 7, 12. 13) baute. Wer immer diesen gewaltigen Tempel sah, war gewiss tief beeindruckt. Doch Israel wich vom Weg des Herrn ab, das Reich wurde geteilt, die Israeliten wurden in die Gefangenschaft geführt und Jerusalem samt Tempel verwüstet und verbrannt (2. Kön 25, 9. 10). Wie musste dies die Herzen aller gläubigen Israeliten erschüttert und gebrochen haben! Die Herrlichkeit des Tempels war verschwunden, der Ort, von dem der Herr gesagt hatte, dass Sein Name dort wohnen würde (1. Kön 9, 3), nicht mehr sichtbar. Alles war zerbrochen und dem Schein nach unwiederbringlich zunichte gemacht. Doch dann, nach Jahren der Gefangenschaft, berief Gott Nehemia und Esra, um Jerusalem und den Tempel des Herrn wieder aufzubauen. Endlich hatte der Herr das Schicksal Israels gewendet, und endlich ermöglichte Er die Rückkehr zum wahren Gottesdienst, an den Ort, den Er hierfür erwählt hatte! Man würde meinen, jeder Israelit hätte nur auf diesen Augenblick gewartet. Doch weit gefehlt: Nur gerade 42 360 Männer (Esra 2, 64; Neh 7, 66) kehrten nach Juda zurück – eine absolute Minderheit.

Die Zurückkehrenden bauten zuerst den Altar des Herrn wieder auf (Esra 3, 2) und feierten danach das Laubhüttenfest zu seiner Zeit (Esra 3, 4). So setzten sie den wahren Gottesdienst in aller Einfachheit – denn vom Tempel des Herrn war noch nicht einmal der Grund gelegt (Esra 3, 6) – wieder ein. Es ist schön zu lesen, wie diese wenigen Menschen, welche nichts als Trümmer vorfinden, mit den Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen, zielstrebig danach trachten, den wahren Gottesdienst wieder einzusetzen und zu feiern. Was war dieser Gottesdienst aber im Vergleich zu jenem, der in den Tagen Salomos gefeiert wurde? Jerusalem existierte nicht mehr, war bis auf die Mauern abgebrannt, da war kein Tempel, und nur ein kleiner Überrest des Volkes Gottes war überhaupt zurückgekehrt und gewillt, den wahren Gottesdienst wieder einzusetzen und zu feiern. Wie entmutigend muss das alles für den treuen Überrest gewesen sein!

Und doch liessen sich diese Treuen des Herrn davon nicht beirren, sondern begannen mit dem Bau des Tempels. Entgegen verschiedener Widerstände wurde denn der Bau des Tempels auch fertiggestellt (Esra 6, 14. 15). Wenn man nur bedenkt, wie gering die Ressourcen zum Bau dieses Tempels im Vergleich zu jenen, welche Salomo zur Verfügung gestanden hatten, gewesen sein mochten, ist klar, dass dieser Tempel den ersten an Herrlichkeit bei Weitem nicht erreichen konnte. Nun befanden sich aber unter dem Überrest Männer, welche den ersten Tempel noch selbst in seiner Herrlichkeit gesehen hatten und denen dadurch die Einfachheit des zweiten Tempels deutlich und schmerzhaft vor Augen geführt wurde. Diese Männer hatten treu für den Herrn gearbeitet, doch äusserlich betrachatet nicht annähernd das erreicht, was früher gewesen war – es wäre auch nie möglich gewesen.

Der Zustand der Kirche Gottes heute

Ich möchte hier eine Parallele in unsere Zeit ziehen. Die Apostelgeschichte schildert uns von der herrlichen ersten Zeit der Kirche (gr. ekklesia), die Lehrbriefe des Neuen Testaments zeigen geistliche Hintergründe und Richtlinien auf. Dass sich die Christenheit bis heute weit von diesem Zustand und diesen Vorgaben entfernt hat, bedarf wohl keiner näheren Ausführungen. Oft scheint mir, auch unser «Jerusalem» – das ist der Ort, an dem der Tempel und der Name des Herrn zu finden sind – sei zerstört und unkenntlich gemacht worden. Die eine Kirche hat sich in unzählige Sekten und Parteiungen gespalten, von denen sich einige bitterlich bekämpfen. Es herrscht weder Liebe noch Einheit unter den Geschwistern, zwischen Kirche und Welt ist keine deutliche Grenze mehr erkennbar, und viele, die sich Christen nennen, sind keine. Das sind wohl nur wenige der vielen Missstände, welche die Kirche der heutigen Tage kennzeichnen und mich an das verwüstete Jerusalem und den zerstörten Tempel denken lassen.

Befinden sich nun alle Christen in Babylon, während der Tempel und die Stadt völlig zerstört sind? Gott sei Dank: Nein! Es gibt einen Überrest, der sich danach sehnt, den wahren Gottesdienst auszuüben, wie er uns im Neuen Testament vorgestellt wird. Ich bin froh, dass ich Christen kennen darf, welche sich vom heutigen Zustand der Kirche nicht beirren lassen, sondern den Weg des Herrn in Gehorsam Seinem Wort gegenüber gehen wollen und in Seiner Gnade auch gehen! Doch auch dieser Überrest ist, wie jener der zurückkehrenden Juden, äusserst gering im Vergleich zur grossen Zahl derer, welche sich Christen nennen (ob sie es nun sind oder nicht). Die Bemühungen dieser treuen Christen erscheinen geringfügig, wie nichts, und das entmutigt.

Die Sicht des Herrn

Auf beeindruckende Art und Weise führt der Herr nun aber dem Überrest Judas Seine Sicht der Dinge vor Augen:

1 Im siebten Monat, am Einundzwanzigsten des Monats, erging das Wort des Herrn durch den Propheten Haggai, indem er sprach: 2 Rede doch zu Serubbabel, dem Sohn Schealtiels, dem Statthalter von Juda, und zu Josua, dem Sohn Jozadaks, dem Hohenpriester, und zum Überrest des Volkes und sprich: 3 Wer ist unter euch übrig geblieben, der dieses Haus in seiner früheren Herrlichkeit gesehen hat? Und wie seht ihr es jetzt? Ist es nicht wie nichts in euren Augen? 4 Und nun sei stark, Serubbabel, spricht der Herr; und sei stark, Josua, Sohn Jozadaks, du Hoherpriester, und seid stark, alles Volk des Landes, spricht der Herr, und arbeitet! Denn ich bin mit euch, spricht der Herr der Heerscharen. Hag 2, 1–4

Welch eine Zusage! Welch eine Ermutigung! Ja, in den Augen der Männer mochte der Tempel sein wie nichts, doch Gott war daran interessiert, dass die Arbeit vollendet wurde! Er war nicht an Babylon interessiert, obwohl sich dort der Grossteil der Israeliten befand und obwohl dort Weltpolitik betrieben wurde. Babylon, die Grosse, war Ihm weit weniger wichtig als das zerstörte Jerusalem, denn nach wie vor war der Tempel in Jerusalem – ungeachtet des äusseren Anscheins – der Ort, an dem Er Seinen Namen wohnen liess!

8 Mein ist das Silber und mein das Gold, spricht der Herr der Heerscharen. 9 Die letzte Herrlichkeit dieses Hauses wird grösser sein als die erste, spricht der Herr der Heerscharen; und an diesem Ort will ich Frieden geben, spricht der Herr der Heerscharen. Hag 2, 8. 9

Jerusalem allein war der Ort des Friedens, und die letzte Herrlichkeit des Tempels würde die erste Herrlichkeit desselben übertreffen. So sprach der Herr allen Silbers und Goldes, der Herr der himmlischen Heerscharen! Musste dieses Wort nicht wie Balsam für die Seelen der treuen Juden gewesen sein? Allein dieses Wort musste all die Entmutigung der Männer hinwegfegen und ihnen Kraft und Zuversicht für die Vollendung des Tempels schenken! Es ist so schön zu sehen, wie sich der Herr zu diesen wenigen Männern herabneigt, um ihnen Mut zuzusprechen und aufzuzeigen, wie wertvoll ihre – menschlich betrachtet: armseligen – Bemühungen waren! Ich bin gewiss, dass dieses Wort auch auf unsere Situation angewendet werden kann. Auch unsere Bemühungen, den wahren Gottesdienst wieder herzustellen, mögen menschlich betrachtet oft lächerlich wirken. Und doch sind sie dem Herrn überaus wertvoll! Lassen wir uns daher ermutigen, vorwärts zu gehen und dem Herrn zu dienen – so, wie Er es für recht befindet!