Jesus Christus ist der Herr! Phil 2, 11

Abigail

Jonathan, der Freund Davids

In der Zeit, während der David dem König Saul diente, entstand eine enge Freundschaft zwischen David und Jonathan, dem Sohn Sauls:

1 Und es geschah, als er aufgehört hatte, mit Saul zu reden, da verband sich die Seele Jonathans mit der Seele Davids; und Jonathan liebte ihn wie seine Seele. 2 Und Saul nahm ihn an jenem Tag zu sich und liess ihn nicht in das Haus seines Vaters zurückkehren. 3 Und Jonathan und David schlossen einen Bund, weil er ihn liebte wie seine Seele. 4 Und Jonathan zog das Oberkleid aus, das er anhatte, und gab es David, und seinen Waffenrock und dazu sein Schwert und seinen Bogen und seinen Gürtel. 1. Sam 18, 1–4

Die Liebe, die Jonathan zu David empfand, war nicht geheuchelt oder aufgesetzt, sondern echt – er liebte ihn wie seine eigene Seele. Diese Liebe drängte Jonathan dazu, sich mit David in Form eines Bundes dauerhaft zu verbinden und ihm alles zu geben, was er hatte: Waffenrock, Schwert, Bogen und Gürtel. Weitere Stellen belegen, dass Jonathan David wirklich so liebte wie seine eigene Seele. Als Jonathan beispielsweise erkannte, dass sein Vater den Tod Davids suchte, reagierte er mit entsprechend heftigen Gefühlen: 34 Und Jonathan stand vom Tisch auf in glühendem Zorn, und er ass am zweiten Tag des Neumondes keine Speise; denn er war betrübt um David, weil sein Vater ihn geschmäht hatte 1. Sam 20, 34.

Kennen wir eine ebenso intensive, echte Liebe zu unserem Herrn und Heiland, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat Gal 2, 20? Ist es unser tiefster Herzenswunsch, dauerhaft mit Ihm verbunden zu sein, Ihm alles zu geben, was wir haben? Sind wir betrübt, wenn Er geschmäht wird? Ach, wie wenige gibt es im Volk Gottes, die so gegenüber dem Herrn Jesus empfinden! Unsere Liebe zu Ihm ist lau, Seiner Liebe zu uns völlig unangemessen. Ja, es gibt Dinge in dieser Welt, die unser Herz – zumindest für eine Zeit lang – sehr viel mehr in Beschlag nehmen, die unseren Puls höher schlagen lassen, uns vor Aufregung kaum recht schlafen lassen, alle unsere Gedanken in Beschlag nehmen, uns jegliches Zeitgefühl rauben. Haben wir je so für den Herrn empfunden? Konnten wir je nicht recht schlafen, weil wir es nicht erwarten konnten, Ihn gleich nach dem Erwachen zu suchen? Haben wir in Seiner Gegenwart je die Zeit völlig vergessen? Schlug uns je der Puls höher, wenn wir an Ihn dachten? Glücklich, wer solches von sich sagen kann. Eigentlich sollte dies ein Zustand sein, den wir alle kennen sollten. Und was die Schmähungen betrifft, so sind die meisten von uns ebenfalls abgestumpft. Wir zucken innerlich mit den Schultern, denken, dass es diese armen Menschen halt nicht besser wissen, dass dies halt der Gang der Welt sei, kümmern uns nicht weiter darum. Zornglut, die in uns wegen der (nicht wenigen) Schmähungen aufsteigt, ist uns unbekannt. Dass wir zornentbrannt und betrübt aufstehen und eine Gesellschaft, in der der Herr geschmäht wird, verlassen – gab es das schon einmal? Dass wir einen Tag lang keinen Bissen essen können, weil wir so betrübt über die Schmähungen des Herrn sind – wer hat solches schon erlebt?

Jonathan liebte David also mehr als die meisten von uns den Herrn Jesus lieben. Das ist eine Tatsache, die uns beschämen sollte. Auch als David in der Verwerfung war, auf der Flucht vor Saul, liess Jonathan nicht von ihm ab:

16 Da machte sich Jonathan, der Sohn Sauls, auf und ging zu David in den Wald und stärkte seine Hand in Gott. 17 Und er sprach zu ihm: Fürchte dich nicht; denn die Hand meines Vaters Saul wird dich nicht finden. Und du wirst König werden über Israel, und ich werde der Zweite nach dir sein; und auch mein Vater Saul weiss es so. 18 Und sie schlossen beide einen Bund vor dem Herrn. Und David blieb im Wald, und Jonathan ging in sein Haus. 1. Sam 23, 16–18

David und Jonathan erneuerten also ihren Bund in einer Zeit, als David ein toter Hund, ein Floh (1. Sam 24, 15), auf der Flucht vor Saul, war. In dieser Zeit, in der nichts darauf hindeutete, dass David triumphieren und König werden würde, sprach Jonathan, dass er König werden würde – er wusste es gewiss. Und, wohl wahr, Jonathan wäre der Zweite nach ihm geworden. Wäre, denn Jonathan fehlte etwas Entscheidendes.

Vergleichen wir aber kurz erst unsere Lage mit jener Jonathans: Auch Der, den unsere Seele lieben sollte, befindet sich zurzeit in der Verwerfung – das Gericht wird verzögert, damit noch möglichst viele zum lebendigen Glauben kommen können, und es wird unter anderem zugelassen, dass der herrliche Name des Herrn Jesus in den Schmutz gezogen wird, dass man sich über Ihn lustig macht, Ihn verunglimpft und verleumdet, nichts darauf gibt, wer Er ist und was Er will. Die Wenigen, die echt an Ihn glauben, suchen Seine Gegenwart auch in dieser Zeit – sie kennen keine andere Zeit –, wissen, dass sich die Zeiten ändern werden und Er herrschen wird, haben sich mit Ihm verbunden.

Doch das genügt nicht, denn – wie erwähnt – sogar Jonathan, der David sehr viel aufrichtiger liebte als die meisten von uns den Herrn Jesus lieben, fehlte etwas: Er ging wieder in sein Haus. Er blieb am Königshof, bei seinem Vater. So kam es, dass er nicht Zweiter wurde nach David – ein Platz, der ihm wohl zugestanden wäre –, sondern zusammen mit Saul starb (1. Sam 31). Jonathan – so sehr er auch David liebte – zog die zeitlichen Freuden am Königshof der Flucht in den Wäldern vor. Weil er aber nicht an der Verwerfung Davids teilnahm, konnte er auch nicht am Triumph Davids teilnehmen. Weil er nicht mit ihm war, als er auf der Flucht war, konnte er auch nicht mit ihm sein, als er die Herrschaft antrat. Weil er bei Saul blieb, solange dieser herrschte, fiel er auch mit Saul. Ein einfaches Prinzip. Mose handelte genau andersherum, also richtig:

24 Durch Glauben weigerte sich Mose, als er gross geworden war, ein Sohn der Tochter des Pharaos zu heissen, 25 und wählte lieber, mit dem Volk Gottes Ungemach zu leiden, als den zeitlichen Genuss der Sünde zu haben, 26 indem er die Schmach des Christus für grösseren Reichtum hielt als die Schätze Ägyptens; denn er schaute auf die Belohnung. Hebr 11, 24–26

Jonathan hatte lange Zeit die Möglichkeit, sich von seinem Vater zu trennen und David nachzufolgen. Damit verbunden hatte er auch lange die Möglichkeit, der Zweite nach David zu werden. Doch er machte von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch. Damit verspielte er sich seine Belohnung. Er musste das Schicksal des bösen Systems teilen, von dem er sich nicht löste, solange es für ihn mit Annehmlichkeiten verbunden war. Erkennen wir den Fehler Jonathans? Er sagte sich nicht von jemandem oder etwas los, das ganz klar und offensichtlich David feind war – weil es für ihn angenehmer so war. Ohne Leiden aber keine Belohnung; nicht mit Christus in der Verwerfung zu sein, heisst, nicht mit Ihm zu herrschen. Das hat nichts damit zu tun, ob man ewiges Leben hat oder nicht – es geht um Belohnung, wie auch Hebr 11, 26 klar aussagt.

Möchten wir nicht denselben Fehler wie Jonathan machen! Wenn wir vor die Wahl gestellt werden, entweder eigene, vorübergehende Bedürfnisse zu befriedigen oder aber uns auf die Seite des Herrn zu schlagen, wählen wir den Herrn! Denn es ist weit besser, in Seiner Nähe zu sein, besser als alles andere. 11 Denn ein Tag in deinen Vorhöfen ist besser als sonst tausend; ich will lieber an der Schwelle stehen im Haus meines Gottes, als wohnen in den Zelten der Gottlosen Ps 84, 11.

Abigail, die Frau Nabals

In der Zeit der Verwerfung Davids begab es sich, dass einige seiner Leute einigen Knechten eines reichen Mannes, Nabal, halfen. David liess Nabal anschliessend grüssen und fragte, ob er ihm auch Güte erweisen wolle. Nabal, ein hartherziger, geiziger Mann, antwortete beleidigend, woraufhin David sich rüstete, ihn und seine Knechte zu töten. Bereits war David unterwegs, als Abigail, die Frau Nabals, vom Vorfall hörte, sofort Esel satteln liess und David mit Geschenken entgegenzog. Als sie ihm begegnete, sprach sie ihn wie folgt an:

Auf mir, mein Herr, sei die Schuld! Und lass doch deine Magd zu deinen Ohren reden und höre die Worte deiner Magd! 25 Mein Herr kümmere sich doch nicht um diesen Mann Belials, um Nabal; denn wie sein Name, so ist er: Nabal ist sein Name, und Torheit ist bei ihm. Und ich, deine Magd, habe die Knaben meines Herrn nicht gesehen, die du gesandt hast. 26 Und nun, mein Herr, so wahr der Herr lebt und deine Seele lebt, der Herr hat dich verhindert, in Blutschuld zu kommen und dass deine Hand dir Hilfe schaffe! Und nun, mögen wie Nabal sein deine Feinde und die Böses suchen gegen meinen Herrn! 27 Und nun, dieses Geschenk, das deine Magd meinem Herrn gebracht hat, es werde den Knaben gegeben, die im Gefolge meines Herrn ziehen. 28 Vergib doch das Vergehen deiner Magd! Denn gewiss wird der Herr meinem Herrn ein beständiges Haus machen, weil mein Herr die Kriege des Herrn kämpft und kein Böses an dir gefunden wurde, seitdem du lebst. 29 Und ein Mensch ist aufgestanden, dich zu verfolgen und nach deiner Seele zu trachten; aber die Seele meines Herrn wird eingebunden sein in das Bündel der Lebendigen bei dem Herrn, deinem Gott; und die Seele deiner Feinde, die wird er wegschleudern in der Pfanne der Schleuder. 30 Und es wird geschehen, wenn der Herr meinem Herrn tun wird nach all dem Guten, das er über dich geredet hat, und dich bestellen wird zum Fürsten über Israel, 31 so wird dir dies nicht zum Anstoss sein noch zum Herzensvorwurf für meinen Herrn, dass du Blut vergossen habest ohne Ursache und dass mein Herr sich selbst Hilfe geschafft habe. Und wenn der Herr meinem Herrn wohltun wird, so erinnere dich an deine Magd. 1. Sam 25, 24–31

Was für eine Rede! Was Jonathan für David empfunden hat, sucht seinesgleichen unter den Christen (in Bezug auf den Herrn Jesus), aber was Abigail in dieser Rede zum Ausdruck gebracht hat, lässt sogar die Empfindungen Jonathans verblassen. Im Einzelnen:

Auch Abigail anerkennt David als den vom Herrn erwählten, zukünftigen König Israels. Sie bestätigt, dass er König werden würde, und dass er die Kriege des Herrn kämpfte und nach Seinem Willen handelte. Ja, auch, dass die Feinde weggeschleudert würden, und dass der Herr David ein beständiges Haus machen würde, und dass nichts Böses an David gefunden worden sei, seitdem er lebe, sah Abigail als gewisse Tatsachen an. Der König Saul war in ihren Augen im Vergleich dazu nur ein Mensch, der aufgestanden sei, David zu verfolgen und nach seiner Seele zu trachten – vergeblich, natürlich.

Im Unterschied zu Jonathan anerkannte Abigail aber, dass Menschen, die sich als Feinde Davids erwiesen, nichts als Gericht erwartete, dass man sich deshalb von solchen lossagen sollte. Über ihren eigenen Mann, Nabal, sprach Abigail deshalb so: Er sei ein Mann Belials – welch Wertschätzung für David im Vergleich zum eigenen Mann! –, ein Tor, ein Mann des Todes, denn sie wünschte David, dass all seinen Feinden dasselbe widerfahren sollte wie Nabal. Diese Aussage hebt Abigail klar von Jonathan ab: Sie wusste, dass Nabal des Todes war, weil er David keine Güte erwiesen hatte; sie wusste es mit solcher Sicherheit, dass sie allen anderen Feinden dasselbe Schicksal wünschte! Während Jonathan wieder an den Königshof zurückkehrte, um dort die Annehmlichkeiten zu geniessen, als ob es kein Gericht über Saul geben würde, wollte Abigail gar nichts mehr mit Nabal zu tun haben. Natürlich, sie kam ihrer Pflicht als Ehefrau nach – wie ist sie zu bewundern! – und kehrte zu Nabal zurück. In ihrem Herzen hatte sie sich aber völlig von ihm losgesagt. Und als er gestorben war und David um ihre Hand anhielt, zögerte sie nicht eine Sekunde:

40 Und die Knechte Davids kamen zu Abigail nach Karmel; und sie redeten zu ihr und sprachen: David hat uns zu dir gesandt, um dich zu seiner Frau zu nehmen. 41 Da stand sie auf und beugte sich nieder, das Gesicht zur Erde, und sprach: Siehe, deine Magd als Dienerin, um die Füsse der Knechte meines Herrn zu waschen. 42 Und Abigail machte sich schnell auf und bestieg einen Esel, sie und ihre fünf Mägde, die ihrem Fuss folgten; und sie zog den Boten Davids nach, und sie wurde seine Frau. 1. Sam 25, 40–42

David war dem Herzen Abigails um ein Vielfaches kostbarer als alles andere. Das bewies sie durch ihre Worte und ihre Taten. Dazu geschah bei ihr alles in Demut. Sie gab sich selbst einen Teil der Schuld, weil sie den ersten Besuch der Knechte Davids verpasst hatte (dabei hielt sie aber Nabal keineswegs für schuldlos), sie machte keinen Anspruch auf eine besondere Position im Reich Davids geltend, sondern bat schlicht, er möge sich doch an sie erinnern, wenn er König würde, sie wusch den Knechten Davids die Füsse. Als sie Davids Frau wurde, war er immer noch in der Verwerfung, aber sie ging gerne zu ihm, hing nicht an den Besitztümern Nabals, die ihr gewiss auch Annehmlichkeiten verschafft hätten. Nein, sie wollte bei David sein, wo er auch gerade sein mochte. Ach, könnten wir an uns selbst nur ein kleines Bisschen von dieser vollkommenen Haltung sehen, wären wir Abigail nur ein wenig ähnlich!

Um noch einen letzten Punkt herauszugreifen: Abigail ging es bei ihrer Intervention nicht in erster Linie darum, ihre Haut oder die Haut Nabals zu retten. Nein, ihr erstes Interesse war, dass man später nicht sagen würde, David habe Blut an seinen Händen und sich selbst Hilfe verschafft, wo er doch sonst stets auf den Herrn vertraut hatte. Sie wollte ihn weiterhin als tadellos vor dem Herrn sehen. Das war ihr vorrangiges Interesse. Auch in dieser Hinsicht war die Wertschätzung für David Beweggrund ihres Handelns. Wie herrlich!

Liebe Geschwister, möchten wir alle doch anstreben, Abigail ähnlicher zu werden! Der Herr Jesus hat alles für uns gegeben, Er hat Seinen Auftrag nicht halbherzig erfüllt und Er verwendet sich auch jetzt nicht halbherzig für uns, sondern voll und ganz. Ausserdem ist Er in jeglicher Hinsicht vollkommen und absolut anbetungswürdig. Was Er tat und tut, alles ist majestätisch, herrlich und vollkommen. Er ist es wert, dass wir Ihn von ganzem Herzen lieben, dass wir Ihn suchen, Seine Nähe suchen, dass wir uns entschieden von allem abwenden, was sich nicht mit Seinem Wesen in Einklang bringen lässt. Legen wir doch dieselbe Entschiedenheit an den Tag, die Abigail, David und Er selbst an den Tag gelegt haben! Amen.