Jesus Christus ist der Herr! Phil 2, 11

Den ganzen Weg gehen

Die herrliche Berufung

Gott hat den ersten Menschen, Adam, aus Erde geschaffen und ihm Odem eingehaucht, so dass dieser zu einer lebendigen Seele wurde (1. Mose 2, 7). Wie Adam war, so sind alle, die seinem Geschlecht angehören, also alle Menschen. Der zweite Mensch aber, Christus, ist nicht von der Erde, sondern vom Himmel (1. Kor 15, 47). So wie Er ist, so sind auch die Seinen (1. Kor 15, 48. 49). Durch die neue Geburt (Joh 3, 3) werden wir in die Stellung von Kindern Gottes versetzt (Joh 1, 12), zu neuen Kreaturen gemacht (2. Kor 5, 17; Gal 6, 15), zu Brüdern des Herrn (Röm 8, 29). Die Bekehrung zu Christus kommt also wirklich einer Neugeburt gleich – und mehr noch: Wir sind nach dieser Neugeburt nicht mehr länger (nur) Angehörige des irdischen Geschlechts, sind nicht (nur) seelische Wesen, sondern werden zu Angehörigen des himmlischen Geschlechts, zu geistlichen Wesen. Wie der Unterschied zwischen dem ersten und dem zweiten Menschen nicht grösser sein könnte, kann der Unterschied zwischen den Angehörigen der beiden Geschlechtern nicht grösser sein. Ist das nicht eine herrliche Tatsache?

Es ist eine biblische Tatsache, dass das oben Gesagte für jeden Christen, ob schwach oder stark, gilt, und zwar uneingeschränkt und unwiderruflich. Damit hängen aber auch weitere Tatsachen zusammen, die für jeden einzelnen Christen wahr sind: Wir haben ein ewiges Haus in den Himmeln (2. Kor 5, 1), sind Bürger der Himmel (Phil 3, 20), haben eine Hoffnung, die in den Himmeln aufbewahrt ist (Kol 1, 5), haben ein unverwesliches und unbeflecktes und unverwelkliches Erbteil, das in den Himmeln aufbewahrt ist (1. Petr 1, 4), haben eine himmlische Berufung (Hebr 3, 1), sind gesegnet mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern in Christus (Eph 1, 3) und sind mitauferweckt und sitzen mit in den himmlischen Örtern in Christus Jesus (Eph 2, 6). Deshalb sollen wir auf das sinnen, was droben ist, nicht auf das, was auf der Erde ist (Kol 3, 2). Droben sind unsere Hoffnung, unsere Berufung, unser Erbteil, unsere Wohnung, unser Bürgerrecht, unsere Segnungen, nach droben wurden wir bereits versetzt! Wir sind aber noch in der Welt (Joh 17, 14–19), und es ist unser Auftrag, das Evangelium der ganzen Schöpfung zu predigen (Mk 16, 15); wie könnten wir das tun, wenn wir nicht mehr in der Welt wären oder nichts mehr mit der Welt zu schaffen hätten? Doch in der Welt finden wir weder unsere Hoffnung noch unser Erbteil, unser Bürgerrecht, unsere Wohnung oder unsere Segnungen.

Der Weg Israels durch die Wüste

Werfen wir kurz einen Blick auf Israel: Zuerst war Israel in Ägypten und befand sich damit im eisernen Schmelzofen (5. Mose 4, 20), allerdings aber auch bei den Fleischtöpfen (2. Mose 16, 3). Wir dürfen wohl sagen, dass Israel von und in der Welt war, die einem irdischen Wesen alles bot, was es begehrte (Fleischtöpfe), jedoch alles verwehrte, was dieses darüberhinaus hätte erlangen können (Freiheit statt Sklaverei). Durch die mächtige Hand Gottes wurde Israel sodann aus Ägypten, aus der Welt im Bilde, herausgeführt. Wo landete Israel? In der Wüste. Zwar gab es dort keine Sklaverei mehr, aber auch keine Fleischtöpfe mehr, nichts mehr, woran Israel sich hätte laben und stärken können. Allerdings war die Wüste nicht das Endziel der Wanderung. Israel war unterwegs in ein Land, in welchem Milch und Honig fliessen (2. Mose 3, 8), ein Land, in welchem der Name des Herrn wohnte (5. Mose 16, 11). Das alles spricht bildlich von unserer Stellung: Durch die Erlösung ist uns die Welt zur Wüste geworden; wir sind nun unterwegs zu einer besseren Stätte (Hebr 11, 16). Im Unterschied zu Israel sind wir jedoch bereits an jene Stätte versetzt (Eph 2, 6) – auch diese kostbare Wahrheit dürfen wir nicht vergessen! So wie die Wüste niemals das Endziel der Wanderung hätte bilden dürfen, so dürfte diese Welt niemals das Endziel unserer Wanderung bilden; nur das Erbteil, das uns Gott gegeben hat, sollen wir antreten – denn es ist das beste!

Nach vierzig Jahren Wüstenwanderung stand Israel vor dem Jordan, dem Fluss, der die Wüste vom verheissenen Land trennt, bildlich also vom Tod des natürlichen Menschen spricht. Die Stämme Ruben und Gad besassen ausserordentlich viel Vieh und sahen, dass das Land Jaser und das Land Gilead geeignete Wohnorte für sie und ihr Vieh wären. Sie baten deshalb Mose und Eleasar sowie die Fürsten der Gemeinde, sich in diesen Ländern niederlassen zu dürfen und nicht über den Jordan gehen zu müssen (4. Mose 32, 1–5). Welch eine Bitte! Nach vierzig Jahren Wüstenwanderung, vierzig Jahren Entbehrung stand Israel ein Haarbreit davor, das gute Land einzunehmen, endlich am Ziel anzukommen, und auf diesen letzten Metern verzichten letztlich zweieinhalb von zwölf Stämmen (der halbe Stamm Manasse gesellte sich zu Ruben und Gad) darauf! Und wieso? Weil sie viel Vieh hatten und die Länder Jaser und Gilead geeignete Plätze für ihr Vieh zu sein schienen! Welch eine Torheit! Anstatt das gute Erbe anzutreten, das der Herr selbst Israel bereitet hatte, wollten sie lieber einen geeigneten Platz für ihr Vieh in Besitz nehmen. Der Jordan trennte sie von ihrer Verheissung, doch sie wollten ihn ihres Viehs zuliebe nicht überschreiten. Leider gibt es auch Christen, die handeln wie Gad, Ruben und der halbe Stamm Manasse: Sie mögen durch die Gnade des Herrn vielleicht viele Güter in dieser Welt verwalten, besitzen viel Geld, Macht, Ansehen oder andere Dinge, die sie an diese Wüste binden, und richten irgendwann ihr Herz auf diese Dinge. Anstatt den Lauf zu vollenden (2. Tim 4, 7), bleiben sie stehen und siedeln sich «diesseits des Jordan» an, werden hier sesshaft, bleiben in der Wüste und wollen nicht in das gute Land eingehen. Vielleicht sind sie den Weg bis zu den letzten Metern hin gegangen, doch sie wollen den Jordan nicht überschreiten.

Die Folgen der Entscheidung

Welch tragische Folgen hatte dieser Entscheid! Nachdem Ruben, Gad und der halbe Stamm Manasse mit ihren Brüdern die Völker aus dem guten Land vertrieben hatten, kehrten sie zu ihren Familien und ihrem Vieh zurück. Kaum in ihrem Land angekommen, bauten sie dem Herrn einen Altar, gross von Ansehen (Jos 22, 10). Der Herr hatte jedoch zuvor geboten, dass Israel nur einen einzigen Altar haben dürfe (5. Mose 12, 5–7. 11). Ruben, Gad und der halbe Stamm Manasse waren also offensichtlich im Begriff, gegen das Gebot des Herrn zu verstossen. Wenn wir uns nun der Reaktion des restlichen Teils von Israel zuwenden, sollten wir auf die genauen Worte achten, denn dadurch wird uns die gesamte Tragik des Handelns Israels (als Ganzes) deutlich. Zunächst fällt auf, dass in der Folge von «Israel» die Rede ist, wenn jedoch nur die neuneinhalb Stämme, welche das gute Land einnahmen, gemeint sind – als ob Ruben, Gad und der halbe Stamm Manasse nicht mehr zu Israel gehören würden. Dieser Rest Israels rüstet sich nun sofort zum Krieg gegen seine Brüder (Jos 22, 11. 12). Für sie ist klar, dass sich Ruben, Gad und der halbe Stamm Manasse an diesem Tag von der Nachfolge des Herrn abgewandt haben (Jos 22, 18). Dem Herrn sei Dank, sie schicken zuerst noch Pinehas, den Priester, sowie zehn Fürsten (für jeden Stamm einen) mit ihm zu den «abtrünnigen» Stämmen. Mit ergreifenden Worten wenden sie sich an Ruben, Gad und den halben Stamm Manasse: 19 Jedoch wenn das Land eures Eigentums unrein ist, so kommt herüber in das Land des Eigentums des Herrn, wo die Wohnung des Herrn weilt, und macht euch ansässig in unserer Mitte! Jos 22, 19.

In der Folge klärt sich das Missverständnis auf; Ruben, Gad und der halbe Stamm Manasse machen deutlich, dass der Altar nur ein «Zeuge», ein «Gedenkstein» sei, damit nicht die übrigen Kinder Israel irgendwann auf die Idee kämen, Ruben, Gad und den halben Stamm Manasse nicht mehr als Teil Israels zu betrachten (Jos 22, 24–29). Nun, all dies wäre zu verhindern gewesen, wenn diese zweieinhalb Stämme ihren Lauf vollendet, den Weg ihrer Berufung gegangen wären. So aber waren sie in den Augen des übrigen Volkes Gottes wie der Heide und der Zöllner, wie Ungläubige, die nicht Teil des Volkes Gottes bilden. Mit ihrer Entscheidung, «diesseits des Jordan» zu bleiben, machten sie eine Trennung zwischen sich und den Rest Israels, so dass sich für Aussenstehende das eine Volk wie zwei getrennte Völker darstellte. Indem sie nicht ihrer Berufung gemäss wandelten, verunsicherten sie auch die Nationen hinsichtlich ihrer Stellung: Die Nationen mochten sich fragen, ob denn nun Ruben, Gad und der halbe Stamm Manasse zu Israel gehörten oder nicht, denn ihr Wandel liess deutliche Fragezeichen offen. Es ist wohl nicht übertrieben, wenn wir festhalten, dass der Sache des Herrn durch dieses unüberlegte, ungehorsame Handeln erheblicher Schaden zugefügt wurde. Lassen wir uns deshalb von diesem Beispiel abschrecken und achten wir darauf, den ganzen Weg zu gehen, den Lauf zu vollenden! Der Herr möge uns Gnade und Kraft hierfür schenken!