Es wird ans Licht kommen!
Ein junger Mann wollte einmal vom Herrn Jesus wissen, was er tun müsse, um das Reich Gottes zu ererben. Er war sich wohl sicher, dass er den Schlüssel bereits in der Hand halte, denn er sprach den Herrn mit: «Guter Lehrer» an und konnte auf die Antwort des Herrn, was zu tun sei, antworten, er beachte dies alles seit seiner Jugend. Was die Anrede betrifft, sie zeigt etwas, das gerade in der heutigen Zeit symptomatisch ist: Alles Mögliche wird schnell einmal gutgeheissen, alles ist in Ordnung, alles ist recht, «jeder soll nach seiner façon selig werden». Der Jüngling kannte den Herrn Jesus nicht. Er hatte wohl von Ihm und Seinen Taten gehört, aber er begegnete Ihm zum ersten Mal. Trotzdem nannte er Ihn «gut». Dafür wies ihn der Herr zurecht: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als nur einer, Gott
Mk 10, 18. Wir können nicht einfach so von jemand anders sagen, er sei schon in Ordnung – oder eben: gut. Woher wollten wir das auch wissen? Können wir in andere Herzen sehen? Wohl kaum! Dass wir es trotzdem tun, kommt allerdings nicht von ungefähr: Wir nennen andere unbekannterweise gut, weil wir der Meinung sind, wir selbst bzw. die Menschen im Allgemeinen seien auch «gut». Wenn wir nun jemandem sagen, wir fänden ihn gut, wird er uns in der Regel auch anzeigen, dass er uns ebenfalls gut findet. Hinter der harmlosen, vordergründig freundlichen Anrede des Jünglings steckte also eine ganz bestimmte Haltung. Diese war völlig falsch, weil der Mensch vor Gott eben gerade nicht «gut» ist, sondern durch und durch verdorben und verloren. Aus diesem Grund antwortete der Herr Jesus schroff.
Trotzdem gab der Herr dem jungen Mann eine Antwort: 19 Die Gebote kennst du: ‹Du sollst nicht töten; du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht stehlen; du sollst kein falsches Zeugnis ablegen; du sollst nichts vorenthalten; ehre deinen Vater und deine Mutter.› 20 Er aber sprach zu ihm: Lehrer, dies alles habe ich beachtet von meiner Jugend an
Mk 10, 19. 20. Die Entgegnung des jungen Mannes macht seine Haltung deutlich: Er dachte tatsächlich, er sei gut. Ich selbst kenne viele Menschen, die sich mehr als anständig verhalten. Sie sind freundlich, hilfsbereit und grosszügig. Die meisten von ihnen werden sich selbst wohl für «gut» halten. Ich halte sie auch für «gut». Der Herr sagt aber: Alle haben gesündigt und erreichen nicht die Herrlichkeit Gottes
Röm 3, 23. Wie passt das zusammen? Ganz einfach: Selbst die besten Menschen sind Sünder und erreichen nicht die Herrlichkeit Gottes, bloss wird es nicht offenbar. Ihre Mitmenschen sehen nur das Gute und Milde und Anständige, aber nicht die «dunkle Seite», die diese «guten» Menschen erfolgreich vor allen anderen verbergen. Gott sieht sie aber und berücksichtigt sie in Seinem Urteil.
Er kann aber noch mehr tun: Was allen verborgen ist, kann Er ans Licht bringen. Beim Jüngling reichte eine einzige Aufforderung, um zu zeigen, dass Er – zumindest in jenem Moment – nicht bereit war, dem Herrn von ganzem Herzen zu folgen, koste es, was es wolle: 21 Jesus aber blickte ihn an, liebte ihn und sprach zu ihm: Eins fehlt dir: Geh hin, verkaufe, was du hast, und gib es den Armen, und du wirst einen Schatz im Himmel haben; und komm, folge mir nach! 22 Er aber wurde traurig über das Wort und ging betrübt weg, denn er hatte viele Besitztümer
Mk 10, 21. 22. Diese Begebenheit ist so aussagekräftig, dass man eigentlich nichts dazu schreiben muss. Der Jüngling liebte seinen Besitz mehr als den Herrn. Er war nicht bereit, alles hinzugeben, um Ihm nachfolgen zu dürfen. So vorbildlich sein Lebenswandel auch gewesen sein mag, die eine Frage des Herrn machte offenbar, dass er nicht bereit war, alles für Ihn wegzugeben. Hätte der Herr Jesus die Frage nicht gestellt, wäre verborgen geblieben, dass der Jüngling seinen Besitz mehr liebte als den Herrn.
Dasselbe finden wir in der Geschichte Esaus: Esau war der Zwillingsbruder von Jakob, dem Stammvater von Israel. Weil Esau als erster zur Welt gekommen war, befand er sich im Besitz des Erstgeburtsrechts. Das heisst, Esau hätte doppelt so viel geerbt wie Jakob. Die beiden Brüder hatten völlig unterschiedliche Charakter: Esau war gerne draussen, unterwegs, auf der Jagd, war wild, stark und behaart. Er war der Liebling Isaaks, seines Vaters. Jakob dagegen war gerne zuhause, war kaum behaart und offenbar auch sonst eher schmächtig. Er war der Liebling der Mutter. Auf die Gunst Gottes hatten diese Eigenheiten keinen Einfluss. Gott liebt alle Menschen so, wie Er sie erschaffen hat. Es hat ihm ja gerade gefallen, jeden von uns individuell zu erschaffen und mit ganz bestimmten Eigenheiten auszustatten. Eines Tages kam aber ans Licht, dass Esau ein Hurer
Hebr 12, 16 und ein Ungöttlicher
Hebr 12, 6 war:
29 Und Jakob kochte ein Gericht; und Esau kam vom Feld und war erschöpft. 30 Da sprach Esau zu Jakob: Lass mich doch essen von dem Roten, dem Roten da, denn ich bin erschöpft! Darum gab man ihm den Namen Edom. 31 Und Jakob sprach: Verkaufe mir heute dein Erstgeburtsrecht. 32 Und Esau sprach: Siehe, ich gehe hin zu sterben, und wozu nützt mir da das Erstgeburtsrecht? 33 Und Jakob sprach: Schwöre mir heute! Und er schwor ihm und verkaufte sein Erstgeburtsrecht an Jakob. 34 Und Jakob gab Esau Brot und ein Gericht Linsen; und er ass und trank und stand auf und ging davon. So verachtete Esau das Erstgeburtsrecht. 1. Mose 25, 29–34
Auch zu dieser Geschichte muss nicht viel geschrieben werden. Der Herr hat den Charakter Esaus ans Licht gebracht, und zwar so, dass jedem klar ist, wie äusserst gering Esau das Erstgeburtsrecht geachtet hat. Statt für den künftigen Segen hat er sich nur für die gerade anstehenden Bedürfnisse interessiert. Die Verachtung des Erstgeburtsrechts wiegt so schwer, dass der Herr mehrmals in Seinem Wort niederschreiben liess, dass Er Esau gehasst hat (Mal 1, 3; Röm 9, 13). Esau hat nicht in einem Moment der Verwirrung eine Dummheit getan. Gott hat nur anhand einer Begebenheit demonstriert, was für ein Hurer und Ungöttlicher Esau gewesen ist. Im Wort heisst es, dass er, als er den Segen erben wollte, verworfen wurde (denn er fand keinen Raum zur Busse), obgleich er ihn mit Tränen eifrig suchte
Hebr 12, 17. Später ist es also zu spät gewesen.
14 Und Mose sandte Boten aus Kades zum König von Edom: So spricht dein Bruder Israel: Du kennst all das Ungemach, das uns betroffen hat: 15 Unsere Väter zogen nach Ägypten hinab, und wir haben eine lange Zeit in Ägypten gewohnt; und die Ägypter behandelten uns und unsere Väter schlecht. 16 Da schrien wir zu dem Herrn, und er hat unsere Stimme gehört und einen Engel gesandt und uns aus Ägypten herausgeführt. Und siehe, wir sind in Kades, einer Stadt am Rand deines Gebiets. 17 Lass uns doch durch dein Land ziehen! Wir wollen nicht durch die Felder und durch die Weinberge ziehen und wollen kein Wasser aus den Brunnen trinken; auf der Strasse des Königs wollen wir ziehen und weder nach rechts noch nach links abbiegen, bis wir durch dein Gebiet gezogen sind. 18 Aber Edom sprach zu ihm: Du sollst nicht bei mir durchziehen, dass ich dir nicht mit dem Schwert entgegenrücke. 19 Und die Kinder Israel sprachen zu ihm: Auf der Landstrasse wollen wir hinaufziehen; und wenn wir von deinem Wasser trinken, ich und mein Vieh, so will ich den Preis dafür geben; mit meinen Füssen will ich durchziehen, weiter nichts. 20 Und er sprach: Du sollst nicht durchziehen! Und Edom zog aus, ihm entgegen, mit zahlreichem Volk und mit starker Hand. 21 Und so weigerte sich Edom, Israel zu gestatten, durch sein Gebiet zu ziehen; und Israel bog von ihm ab. 4. Mose 20,14–21
Ist das nicht bezeichnend? Das Brudervolk wollte nur durch das Land ziehen, mehr nicht. Es versprach, die Strasse nicht zu verlassen, und wollte nichts geschenkt erhalten. Hätte jemand vom Volk Israel Wasser getrunken, wäre der Preis ersetzt worden. Aber Edom zog mit einer Armee entgegen und verhinderte den Durchzug, sodass Israel gezwungen war, einen erheblichen Umweg zu machen. Was für ein böser Zug! Wer anerkennt, dass dieses Verhalten Rückschlüsse auf den Charakter Esaus zulässt, wird zugeben müssen, dass der Herr keinen Fehler gemacht hat, als Er Esau verworfen hat.
Liebe Geschwister im Herrn! Diese Begebenheit ermahnt uns in ernster Weise, dem Herrn treu zu bleiben! Der Himmlische Vater hat uns im Herrn Jesus Christus so viel – ja, alles! – geschenkt und hält eine Belohnung für uns bereit, die all unsere kühnsten Vorstellungen übertrifft. Was Er will, ist, dass wir den Weg bis dahin Ihm treu nachfolgen. Das ist alles. Um uns zu unterstützen, hat Er uns den Geist gegeben, der uns leitet und unterweist. Der Herr Jesus selber verwendet sich Tag für Tag im Himmel für uns, damit wir nicht vom Weg abkommen. Wir haben das Wort Gottes und das Vorbild Israels. Wir sind aufgefordert, die Gemeinschaft mit anderen Geschwistern zu suchen, weil wir gemeinsam stärker sind. Wie könnte uns der Herr noch mehr unterstützen? Wenn trotz all dieser guten Voraussetzungen und der Aussicht auf eine herrliche Belohnung aber jemand den jetzigen Zeitlauf lieb gewinnt und sein Glück lieber in dieser Welt (die den Herrn Jesus gekreuzigt hat) sucht, wird er später wie Esau mit Tränen den Segen suchen – und keinen Raum zur Busse finden. Es ist unmöglich, dass ein Christ die Errettung verliert, aber es ist genauso sicher, dass Gott dem Ungehorsam und der Hurerei angemessen Rechnung tragen kann. So einer wird keine Belohnung empfangen, sondern bloss knapp – vom Feuer angesengt – errettet werden. So einer wird mit der Welt verurteilt werden. Wenn das Gericht über die Welt hereinbricht, wird er sich nicht in Sicherheit befinden, sondern vom Gericht getroffen werden.
Niemand von uns soll meinen, Gott sehe es schon nicht, wenn wir lasch oder ungehorsam sind oder gar die Sünde bewusst suchen. Die Ältesten Israels waren so verblendet, zu denken, der Herr sehe sie nicht. Wie töricht! 12 Und er sprach zu mir: Hast du gesehen, Menschensohn, was die Ältesten des Hauses Israel im Finstern tun, jeder in seinen Bilderkammern? Denn sie sagen: Der Herr sieht uns nicht, der Herr hat das Land verlassen!
Hes 8, 12. Wir haben oben, bei der Begebenheit mit dem Jüngling und jener mit Esau, gesehen, dass der Herr nicht nur in unsere Herzen sieht (uns also besser kennt, als wir uns selbst), sondern durchaus auch in der Lage ist, offenbar zu machen, wie finster es in uns ist. Hüten wir uns davor, die ganze Sache auf die leichte Schulter zu nehmen! Jeder Gedanke muss unter den Gehorsam Christi gebracht werden, oder wir werden irgendwann feststellen müssen, dass der Herr uns völlig blossstellen kann. Nur wer den Herrn beständig sucht und Tag für Tag danach trachtet, dem Herrn treu nachzufolgen, wird bestehen, wenn ein überraschender Test kommt. Der Apostel Paulus schreibt nicht umsonst, dass wir einen Wettlauf laufen, den nur einer gewinnen kann. Laufen wir so, dass wir gewinnen würden! Amen.