Der Jordan
Das Ende des Weges
Als der Herr Mose berief, um das Volk Israel aus der Sklaverei Ägyptens zu befreien, gab Er ihm bereits an, was das Ziel, das Ende des Weges, sein sollte: 8 Und ich bin herabgekommen, um es aus der Hand der Ägypter zu erretten und es aus diesem Land hinaufzuführen in ein gutes und geräumiges Land, in ein Land, das von Milch und Honig fliesst, an den Ort der Kanaaniter und der Hethiter und der Amoriter und der Perisiter und der Hewiter und der Jebusiter
2. Mose 3, 8. Israel sollte also aus der Sklaverei Ägyptens befreit und in ein gutes und geräumiges Land geführt werden. Dazwischen lag aber der Weg durch die Wüste. Die Wüste bildete nicht Teil des Vorsatzes Gottes – das war Kanaan –, aber sehr wohl Teil des von Ihm vorgesehenen Weges zur Erfüllung Seines Vorsatzes. Sie war nicht das Ziel, auch kein Zwischenziel, sondern Teil des Weges und Voraussetzung zum Eingang in das Land Kanaan.
Dass die Sklaverei in Ägypten von der Stellung der Nationen in dieser Welt, die unter der Sklaverei der Sünde und des Satans zu leiden haben – meist, ohne es zu erkennen –, dass Passah von der Errettung vor dem Zorn und dem gerechten Gericht Gottes durch das Blut Jesu Christi, der Durchzug durch das Rote Meer von der Taufe und der Errettung aus dieser Welt heraus, und die Wüste von dem, was die Welt für einen Gläubigen geworden ist, sprechen, leuchtet ohne viele Erklärungen ein. Wenn die Reise durch die Wüste aber von unserer Pilgerreise durch die Welt spricht, dann ist der Jordan der Tod – das Ende dieses Weges. Diese Folgerung ist aber ungenau, denn Israel musste zwar erst durch die Wüste ziehen – die meiste Zeit davon übrigens selbstverschuldet – und konnte erst dann in das gute Land eingehen, doch war das nicht die Ruhe, denn das Land musste durch Kampf in Besitz genommen werden (vgl. Jos 1, 12–15); auch heisst es: 8 Denn wenn Josua sie zur Ruhe gebracht hätte, so würde er danach nicht von einem anderen Tag geredet haben. 9 Also bleibt eine Sabbatruhe dem Volk Gottes übrig
Hebr 4, 8. 9. So gesehen kann der Jordan nicht davon sprechen, von dieser Welt abzuscheiden und in die Herrlichkeit – und Ruhe – einzugehen.
Wir haben es also mit einem Land zu tun, das zwar das Ziel des Weges des Volkes Gottes war, dessen Inbesitznahme aber mit Kampf verbunden war. Das spricht doch klar von den himmlischen Örtern, denn einerseits heisst es, dass wir einen Bau von Gott haben, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, ein ewiges, in den Himmeln
2. Kor 5, 1, dass unser Bürgertum in den Himmeln ist, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als Heiland erwarten
Phil 3, 20, dass für uns eine Hoffnung aufgehoben ist in den Himmeln
Kol 1, 5, gleichwie ein unverwesliches, unbeflecktes und unverwelkliches Erbteil (1. Petr 1, 4), und dass wir Genossen der himmlischen Berufung
Hebr 3, 1 sind – unser Teil ist also ganz und gar in den Himmeln, in den himmlischen Örtern. Unsere Hoffnung ist es, dereinst in das Haus unseres Gottes und Vaters (Joh 14, 1–4) einzugehen – eine lebendige, zuverlässige Hoffnung, die auf dem Wort unseres Herrn Jesus Christus gründet. Doch im Moment gibt es in den himmlischen Örtern nicht Ruhe, sondern Kampf:
10 Im Übrigen, Brüder, seid stark in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke. 11 Zieht die ganze Waffenrüstung Gottes an, damit ihr zu bestehen vermögt gegen die Listen des Teufels. 12 Denn unser Kampf ist nicht gegen Fleisch und Blut, sondern gegen die Fürstentümer, gegen die Gewalten, gegen die Weltbeherrscher dieser Finsternis, gegen die geistlichen Mächte der Bosheit in den himmlischen Örtern. Eph 6, 10–12
Denn noch wurde der Satan nicht völlig aus den himmlischen Örtern verbannt. Der Kampf im Himmel, das Hinauswerfen aus dem Himmel und das Hinabwerfen auf die Erde (Offb 12, 7–9), stehen noch aus.
Wenn es nun heisst, Gott habe uns mitauferweckt und mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern in Christus Jesus
Eph 2, 6, bedeutet das nicht nur, dass wir bereits jetzt gesegnet sind mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern in Christus
Eph 1, 3, sondern auch, dass wir an den Schauplatz versetzt sind, wo jetzt Kampf ist. Das ist etwas grundsätzlich anderes, als den Weg durch die gegenwärtige Welt mit ihren Verlockungen und Versuchungen zu gehen und dabei zu versuchen, sich selbst unbefleckt zu erhalten (vgl. Jak 1, 27); es heisst, teilzunehmen am gegenwärtigen Kampf zwischen den geistlichen Mächten, uns unter der Führung des Herrn gegen die bösen Mächte zu wenden, ihnen entgegen zu treten.
Unsere Berufung ist es nicht, möglichst sauber durch diese Welt zu gehen, uns von ihr rein zu halten – wenn das auch Teil des Vorsatzes Gottes und unserer Erziehung äusserst dienlich ist –, sondern vielmehr, den guten Kampf des Glaubens
1. Tim 6, 12 zu kämpfen, so wie es die Berufung Israels war, die Nationen aus dem Land Kanaan zu vertreiben und das Land in Besitz zu nehmen. Im Unterschied zu Israel befinden wir uns demnach gleichzeitig in der Wüste und in Kanaan.
Den Kampf in Kanaan zu kämpfen kann etwa bedeuten, den Priesterdienst in rechter Weise auszuüben. Wenn wir uns als Priester vor Gott für andere Menschen verwenden, dann mischen wir uns in den geistlichen Kampf ein, der um ihre Seelen geführt wird. Es kann auch bedeuten, den Namen des Herrn in feindlicher Umgebung zu bezeugen. Das alles hat nichts damit zu tun, sich von der Welt unbefleckt zu halten – es ist viel mehr als das, nämlich Teilnahme an der eigentlichen Bestimmung. Und doch ist der Lauf durch die Wüste, die Unbeflecktheit von der Welt Voraussetzung dafür, dass wir überhaupt erst an diesem Kampf teilnehmen können. Denn wenn wir bereits in der Wüste fallen und sterben, wie wollen wir dann in Kanaan kämpfen? Vielleicht ist das gemeint, wenn der Apostel Paulus schreibt: 26 Ich laufe daher so, nicht wie aufs Ungewisse; ich kämpfe so, nicht wie einer, der die Luft schlägt
1. Kor 9, 26 – er kämpfte wirkungsvoll, weil er sich selbst von der Welt unbefleckt hielt (1. Kor 9, 27). Auch heisst es: 5 Wenn aber auch jemand kämpft, so wird er nicht gekrönt, es sei denn, er habe gesetzmässig gekämpft
2. Tim 2, 5 – für die erfolgreiche Teilnahme am Kampf müssen bestimmte Voraussetzungen gegeben sein, wie unten noch näher beleuchtet wird.
Der Durchzug
Wie der Durchzug durch das Rote Meer von Tod und Auferstehung spricht – er schattet die Taufe vor (vgl. 1. Kor 10, 2) –, spricht auch der Jordan vom Tod. Gemeint ist aber, wie erwähnt, nicht der leibliche Tod, sondern wiederum der Übergang vom Tod ins Leben, wie dies im Brief an die Epheser beschrieben wird: 4 Gott aber, der reich ist an Barmherzigkeit, wegen seiner vielen Liebe, womit er uns geliebt hat, 5 hat auch uns, als wir in den Vergehungen tot waren, mit dem Christus lebendig gemacht
Eph 2, 4. 5. Das geistliche Gegenbild des Durchzugs durch den Jordan findet also gleichzeitig statt wie das geistliche Gegenbild des Durchzugs durch das Rote Meer – das Rote Meer zeigt uns eine Seite, der Jordan eine andere. Das Rote Meer spricht, wie erwähnt, von der Errettung aus dieser Welt, davon, wie wir ihren Einflüssen entrinnen und in ihr nurmehr eine Wüste finden. Der Jordan spricht davon, mit der Inbesitznahme der geistlichen Segnungen in den himmlischen Örtern zu beginnen, am geistlichen Kampf in den himmlischen Örtern teilzunehmen.
Zur Bedeutung der Taufe (die durch das Rote Meer vorgeschattet wird) heisst es: 5 Denn wenn wir mit ihm einsgemacht worden sind in der Gleichheit seines Todes, so werden wir es auch in der seiner Auferstehung sein
Röm 6, 5. Der Herr Jesus Christus ist der Einzige, der in den Tod gegangen und danach wieder aus den Toten auferstanden ist. Wenn wir uns taufen lassen, dann werden wir darin aber mit Ihm einsgemacht – so, als ob auch wir in den Tod gegangen und danach wieder aus den Toten auferstanden wären. Unzählige Stellen in den Schriften des Neuen Testaments setzen diese Tatsache voraus; als Beispiel sei nur Röm 7, 1–6 genannt. Und genau diesen Gedanken finden wir auch in den erwähnten Stellen im Brief an die Epheser: 3 Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern in Christus
Eph 1, 3; 6 und hat uns mitauferweckt und mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern in Christus Jesus
Eph 2, 6 – wir sind nicht mit Christo gesegnet in den himmlischen Örtern, und Gott hat uns nicht mit Christo mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern, sondern in Christo. Er allein hat sich zur Rechten Seines Gottes und Vaters gesetzt, aber wir werden so gestellt, als wäre dies auch in Bezug auf uns wahr. Weil Er dort sitzt, sitzen auch wir dort – in Ihm. Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus!
Dieser Gedanke ist auch in der Beschreibung des Durchzuges Israels durch den Jordan enthalten. Bevor das Volk durch den Jordan ziehen konnte, musste die Bundeslade in den Jordan hineingetragen werden:
14 Und es geschah, als das Volk aus seinen Zelten aufbrach, um über den Jordan zu ziehen, als die Priester die Lade des Bundes vor dem Volk hertrugen, 15 und sobald die Träger der Lade an den Jordan kamen und die Füsse der Priester, die die Lade trugen, in den Rand des Wassers tauchten – der Jordan aber ist voll über alle seine Ufer die ganze Zeit der Ernte hindurch –, 16 da blieben die von oben herabfliessenden Wasser stehen; sie richteten sich auf wie ein Damm, sehr fern, bei Adam, der Stadt, die seitwärts von Zaretan liegt; und die zum Meer der Ebene, dem Salzmeer, hinabfliessenden Wasser wurden völlig abgeschnitten. Und das Volk zog hindurch, Jericho gegenüber. 17 Und die Priester, die die Lade des Bundes des Herrn trugen, standen festen Fusses auf dem Trockenen in der Mitte des Jordan; und ganz Israel zog auf dem Trockenen hinüber, bis die ganze Nation vollends über den Jordan gegangen war. Jos 3, 14–17
Erst nachdem das Volk durchgezogen war, verliess auch die Bundeslade wieder den Jordan:
10 Und die Priester, die die Lade trugen, blieben in der Mitte des Jordan stehen, bis alles vollendet war, was der Herr Josua geboten hatte, dass er zum Volk reden sollte, nach allem, was Mose Josua geboten hatte. Und das Volk eilte und zog hinüber. 11 Und es geschah, als das ganze Volk vollends hinübergezogen war, da zogen die Lade des Herrn und die Priester angesichts des Volkes hinüber. Jos 4, 10. 11
Der Durchzug der Bundeslade leitete den Durchzug des Volkes ein und schloss diesen auch ab. Das Volk zog nicht einfach hinterher, sondern im Durchzug der Bundeslade durch den Jordan erfolgte der Durchzug des Volkes. Das mag uns helfen zu verstehen, was es heisst, in Christo gestorben, auferstanden und in die himmlischen Örter versetzt zu sein.
In Kanaan
Während des Durchzuges und unmittelbar danach hatten die Israeliten zwei Gedenkstätten aufzurichten: Einmal zwölf Steine im Jordan (Jos 4, 9) und einmal zwölf Steine in Kanaan (Jos 4, 8). Die Israeliten sollten sich in Kanaan stets daran erinnern, wie sie ins Land gekommen waren – Christus im Tode und Christus auferstanden, sie (die zwölf Stämme) in beidem mit Ihm vereint, in Ihm im Tode und in der Auferstehung.
Dass wir in die himmlischen Örter gekommen sind, ist allein das Verdienst Christi. Er allein hat alles bewirkt. Sein Tod und Seine Auferstehung bilden zusammen die Grundlage unseres Eintrittes in die himmlischen Örter. Beides darf nie vergessen werden. Deshalb sind wir auch gehalten, so oft wir zusammen kommen, das Gedächtnismahl zu halten – dies tut zu meinem Gedächtnis
1. Kor 11, 24. Wir haben die beständige Erinnerung notwendig, um den Kampf recht kämpfen zu können, denn das Verblassen der Erinnerung daran bewirkt entweder Überheblichkeit oder mangelndes Wachstum. Wir müssen Ihn vor Augen haben, was Er getan hat, um im Kampf bestehen zu können.
Damit im Zusammenhang steht die Beschneidung des Volkes. 2 In jener Zeit sprach der Herr zu Josua: Mache dir Steinmesser und beschneide wiederum die Kinder Israel zum zweiten Mal. 3 Und Josua machte sich Steinmesser und beschnitt die Kinder Israel am Hügel Aralot 9 Und der Herr sprach zu Josua: Heute habe ich die Schande Ägyptens von euch abgewälzt. Und man gab diesem Ort den Namen Gilgal bis auf diesen Tag
Jos 5, 2. 3. 9. Dort, wo der Herr Jesus alles ist, hat das Fleisch absolut nichts zu suchen – es muss abgeschnitten werden. Der Kampf in den himmlischen Örtern kann nicht mit natürlichen Waffen gekämpft werden, kann nicht im Fleisch geführt werden. Es braucht himmlische Waffen, durchdrungen vom Geist Gottes. Sonst stehen wir auf verlorenem Posten.
Vielsagend ist der Begriff «Schande Ägyptens». Die Israeliten mussten beschnitten werden, weil sie erst nach der ersten Beschneidung des Volkes geboren wurden, das heisst in der Wüste. Sie hatten mit Ägypten nichts zu schaffen, waren Wüstenkinder. Und doch heisst es: «Schande Ägyptens». Fleisch (Vorhaut) und Welt (Ägypten) sind stets verbunden, auch wenn der Zusammenhang nicht ersichtlich ist. Was im Fleisch gewirkt wird, steht im Zusammenhang mit der Welt, und die Welt hat wie das Fleisch auch in den Dingen Gottes absolut gar nichts zu suchen. Auch nützt die Beschneidung der Eltern nichts, will heissen, der Glauben der Eltern errettet nicht die Kinder – jeder hat sich selbst für den Herrn zu entscheiden.
Das Lager der Israeliten blieb in Gilgal. Nach jedem Kampf kehrten sie dorthin zurück (vgl. z. B. Jos 10, 15). Der Ausgangsort für den Kampf in den himmlischen Örtern ist stets das Kreuz – der Ort, wo Christus Seine Seele in den Tod ausschüttete, der Ort, wo unser Fleisch völlig gerichtet wurde. Sinnigerweise feierten die Israeliten dort auch das Passah (Jos 5, 10). Es ist der Ort, an dem wir zum ersten Mal vom Erzeugnis des Landes, ungesäuertes Brot und geröstete Körner
Jos 5, 11 – das ist Christus – gegessen haben, der Punkt, an dem wir zum Herrn gefunden haben, an dem uns der Herr gefunden hat. Alles, was wir im Reiche Gottes tun, sollte hier seinen Ursprung finden, in der gesegneten Gemeinschaft mit dem Herrn, auf der Grundlage des Kreuzes, ohne Einfluss des Fleisches.
An diesen Ort müssen wir immer wieder bewusst zurückkehren, denn es heisst: 5 Tö\-tet nun eure Glieder, die auf der Erde sind: Hurerei, Unreinheit, Leidenschaft, böse Lust und Habsucht, die Götzendienst ist
Kol 3, 5. Wir sind zwar in Christo in den Tod gebracht worden, doch unsere alte Natur – das wissen wir leider nur zu gut! – ist nach wie vor lebendig und, wenn wir nicht Acht geben, wirksam. Es liegt an uns, sie im Tode zu halten, unsere Glieder, die auf der Erde sind, zu töten, immer wieder nach Gilgal zurückzukehren. Dort wollen wir nicht nur der Beschneidung, sondern auch der Steine im und neben dem Jordan gedenken.
Schliesslich hängt damit zusammen, dass zum Volk gesagt wurde: 3 Jeden Ort, auf den eure Fusssohle treten wird – euch habe ich ihn gegeben
Jos 1, 3. Das Land war Israel völlig gegeben, aber tatsächlich in Besitz nahmen sie nur die Orte, auf die sie ihre Fusssohle setzten. Auch diesbezüglich war tätiges Handeln gefragt. Das ist auch von uns gefordert. Wir sind zwar mit jeder geistlichen Segnung gesegnet in den himmlischen Örtern in Christo, doch das nützt uns wenig, wenn wir nichts davon auch tatsächlich ergreifen und in Besitz nehmen. Wir müssen den Kampf kämpfen und das Land einnehmen, um das, was uns in Christo gegeben ist, auch tatsächlich zu verwirklichen. 12 Kämpfe den guten Kampf des Glaubens; ergreife das ewige Leben, zu dem du berufen worden bist und bekannt hast das gute Bekenntnis vor vielen Zeugen
1. Tim 6, 12. Amen.