Jesus Christus ist der Herr! Phil 2, 11

Verunreinigung

Verunreinigung, Aussatz und Sünde

Im Gesetz Gottes für Israel war ein Abschnitt verschiedenen Formen von Verunreinigungen gewidmet. So hiess es dort etwa: 2 Redet zu den Kindern Israel und sprecht zu ihnen: Wenn irgendein Mann an seinem Fleisch flüssig ist, so ist er unrein durch seinen Fluss. 6 Und wer sich auf das Gerät setzt, worauf der Flüssige gesessen hat, soll seine Kleider waschen und sich im Wasser baden, und er wird unrein sein bis zum Abend 3. Mose 15, 2. 6. Man darf wohl voraussetzen, dass hierüber bzw. über die geistliche Anwendung dieser Anordnungen in der Christenheit im Allgemeinen keine Kenntnis besteht. Viele werden diesen Anordnungen keine Beachtung schenken oder aber davon ausgehen, es gehe darin mehr oder weniger um dasselbe wie in Anordnungen bezüglich Sünde oder Aussatz (von dem in den Kapiteln unmittelbar davor die Rede ist). Das ist aber nicht der Fall, wie bereits eine Betrachtung der beiden zufällig ausgewählten und oben zitierten Verse zeigt.

Für das Verständnis ist es sicherlich hilfreich, sich zuerst kurz einige Gedanken zu Sünde und Aussatz zu machen, denn dann sind die Unterschiede zur Verunreinigung offensichtlich. Dabei ist es wichtig, sich auf das zu beschränken, was im Gesetz für Israel zu Sünde und Aussatz festgehalten wurde, denn sonst besteht schnell die Gefahr, verschiedene Dinge zu vermischen und den Vergleich zu verkomplizieren. Als Sünde nach dem Gesetz kann vereinfacht alles bezeichnet werden, was Sühnung nach sich zog: Schwerwiegende Sünden führten den Tod des Sünders nach sich, weniger schwerwiegende den Tod eines Opfertieres. Man könnte Sünde als Straftat, als Widerhandlung gegen das Strafrecht Gottes bezeichnen, als Handlung oder Unterlassung, die eine Strafe gemäss Gesetz nach sich zog. Sühnung bedeutet denn auch nichts anderes als Wiedergutmachung von Unrecht oder Wiederherstellung des ordnungsgemässen Zustands. Sünde stand und steht, das zeigte das Gesetz eindrücklich auf, stets mit Tod in Verbindung; der Preis der Sünde war stets der Tod – wie erwähnt, entweder jener des Sünders oder jener eines Stellvertreters. Das ist auch die neutestamentliche Belehrung, etwa in Röm 6, 23. Das alles ist relativ leicht zu verstehen und wohl in der Christenheit auch weitgehend bekannt.

Schwieriger wird es, die Bedeutung des Aussatzes zu verstehen. Beim Aussatz handelt es sich nicht um eine Handlung (eine Tat oder eine Unterlassung), sondern um eine Krankheit. Allerdings ist ein Zusammenhang zu Sünde offensichtlich: Es mussten nach der Heilung auch Schuldopfer dargebracht werden, und bezüglich eines gereinigten Hauses heisst es, dass dieses entsündigt werden musste (die Anweisungen zum Aussatz finden sich übrigens in den Kap. 13 f. des dritten Buches Mose). Es handelt sich also, sehr kurz ausgedrückt, um eine Form von Unreinheit, die direkt mit Sünde in Zusammenhang steht, wobei charakteristisch ist, dass es sich um eine ansteckende, wuchernde Form von Unreinheit handelt. Es liegt daher nahe, den Aussatz als Bild der Macht der Sünde anzusehen: Die Sünde als Prinzip ist eine Macht, die verunreinigt, wüste Auswirkungen zeitigt (in Form begangener Sünden) und um sich greift, wie es beispielsweise heisst: 33 Lasst euch nicht verführen: Böser Verkehr verdirbt gute Sitten 1. Kor 15, 33. Die Handlungsanweisungen bezüglich Aussatz beziehen sich denn auch mehr auf die Gemeinschaft als auf die Einzelnen: Wenn Aussatz festgestellt wurde, musste ein Ausschluss aus der Gemeinschaft stattfinden, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Auch in der Kirche Gottes gilt bekanntlich, dass offensichtliche Sünde der Zucht, schlimmstenfalls des Ausschlusses aus der Gemeinschaft bedarf. Sehr schön zu dieser Erklärung passt auch die auf den ersten Blick schwer verständliche Aussage, dass ein durch und durch Aussätziger für rein zu erklären sei. Denn dort, wo der Aussatz nicht mehr weiter wuchern kann, wo die Sünde nicht mehr weiter um sich greifen kann, besteht keine Gefahr mehr. Ein durch und durch Aussätziger ist mit anderen Worten ein Typus eines Menschen, der seine Sündhaftigkeit voll und ganz anerkannt hat, der sich nicht mehr auf diese oder jene heile Stelle berufen kann, sondern anerkennen muss, was er vor Gott tatsächlich ist: Durch und durch Sünder. Von so einem Menschen geht keine Gefahr mehr aus, weshalb er für rein zu erklären war.

Eine Verunreinigung im Sinne von 3. Mose 15 ist, wie erwähnt, weder Sünde noch Aussatz. Man konnte unrein werden, ohne etwas «getan» zu haben, wurde ebenso «von selbst» wieder rein und musste kein «grosses» Opfer darbringen. Im Unterschied zur Sünde hat eine Verunreinigung also nicht mit einer bestimmten Handlung zu tun und zieht sie nicht in gleicher Weise den Tod nach sich (wenn auch unter Umständen zwei Tauben geopfert werden mussten). Im Unterschied zum Aussatz hat eine Verunreinigung keinen Ausschluss aus der Gemeinschaft zur Folge und vergeht sie gleichsam in jedem Falle innert kürzester Zeit von selbst wieder. Wichtig für das Verständnis dessen, was Verunreinigung ist, ist jedenfalls die Erkenntnis, dass Verunreinigung nicht Sünde ist. Natürlich trennt Sünde von Gott und verunreinigt Sünde in gewissem Masse, aber umgekehrt ist Verunreinigung nicht oder zumindest nicht zwingend Sünde.

Ursachen von Verunreinigung

Wie erwähnt, musste ein Israelit nichts «tun», um unrein zu werden. Die Betrachtung von 3. Mose 15 zeigt, dass Unreinheit ihre Ursache jeweils in einem natürlichen bzw. körperlichen Vorgang fand: Ein flüssiger Mann war unrein (3. Mose 15, 2), ebenso ein Mann nach einem Samenerguss (3. Mose 15, 16), eine flüssige Frau (3. Mose 15, 19) oder allgemein eine Frau nach einer Geburt (3. Mose 12). Bestimmte Formen – nicht bewusst gesteuerter! – körperlicher Aktivität führten also zu Unreinheit. Es muss nochmals betont werden, dass hier weder die Rede von Sünde noch von Aussatz ist. Ein Flüssiger hatte nicht gesündigt, und der Fluss war nicht Ausdruck der in ihm wohnenden Sünde, weshalb weder ein Schuldopfer dargebracht werden musste noch ein Ausschluss aus der Gemeinschaft erfolgte. Dieser Punkt ist entscheidend.

Damit ist die geistliche Bedeutung des Gesetzes über die Verunreinigung offensichtlich: Jede Regung unseres alten Ichs stört die innige Gemeinschaft mit Gott. Während Sünde klar von Gott trennt, können andere Regungen, die nicht Sünde sind, die Gemeinschaft ebenfalls stören. Das wiederum kann allerdings kaum verstanden werden, wenn nicht bekannt ist, wie innig die Gemeinschaft, die der Herr mit jedem der Seinen sucht, sein kann. Wer das nicht versteht, wird die Ausführungen in diesem Artikel nicht verstehen, wird sie als gesetzlich abtun oder sonstwie nicht auf sich selbst anwenden können. Wer kein rechtes Verständnis für die Innigkeit der Gemeinschaft, die Gott sucht, hat, der wird vielleicht dazu neigen, die Belehrungen über die Verunreinigung in einer gesetzlichen Weise anzuwenden; es wird ihm und jenen um ihn herum nicht zum Segen gereichen, sondern ihn beschweren. Es ist unbedingt notwendig, dass man den Ruf Gottes, Sein liebliches Werben um einen selbst, versteht und fühlt, dass das Abstehen von jeder Form der Verunreinigung Herzenswunsch sein muss, Folge dessen, dass man die Gemeinschaft höher schätzt als die Befriedigung, die eine menschliche Regung unter Umständen verschaffen kann.

Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Vor allem junge Christen fragen sich oder andere häufig, ob sie fern sehen dürfen. Diese Frage ist jedoch falsch gestellt. Sicherlich gibt es gewisse Filme oder Sendungen, um die man mit Vorteil einen grossen Bogen machen sollte. Es gibt aber auch andere Filme oder Sendungen, die als mehr oder weniger harmlos eingestuft werden können. Tatsache ist aber, dass beim Fernsehen unabhängig vom Inhalt in kurzer Zeit viele Eindrücke auf uns einwirken, und dass uns die gesehenen Bilder in der Regel noch relativ lange nachgehen. Sehen wir fern, bevor wir schlafen gehen, träumen wir vielleicht vom Gesehenen, oder wir denken am nächsten Morgen noch darüber nach; vielleicht beschäftigt uns das Gesehene sogar über mehrere Stunden und Tage hinweg. Unabhängig davon, was wir uns angesehen haben, die Gemeinschaft mit Gott kann dadurch gestört werden – wir sind abgelenkt, unsere Gedanken schweifen ab. Auch absolut harmlose Sendungen können uns so gesehen verunreinigen. Die Frage ist deshalb nicht, ob wir fern sehen dürfen oder nicht, sondern ob wir in Kauf nehmen wollen, für eine kurze Zeit menschlicher Vergnügung eine Stunden oder Tage dauernde Störung der Gemeinschaft mit Gott zu riskieren. Das Beispiel des Fernsehens bietet sich an, weil die Vorgänge offensichtlich sind. Aber jede andere Form menschlicher Vergnügung kann dieselben Folgen zeitigen. Wenn wir an einer Modelleisenbahn tüfteln, Kochkünste perfektionieren, uns über ein gewisses Thema Wissen aneignen wollen – stets laufen wir Gefahr, unsere Gedanken zu sehr auf ein Thema zu fokussieren und dadurch die Gemeinschaft mit Gott zu stören.

Auswirkungen der Verunreinigung

Eine Verunreinigung verschwand, wie erwähnt, «von selbst» wieder. In gewissen Fällen musste zwar ein Ritual vollzogen werden, aber generell heisst es in 3. Mose 15 jeweils, dass man beispielsweise bis am Abend unrein war und sich dann waschen sollte. Wir können das ohne Weiteres für Beispiele aus unserem Leben bestätigen: Ein Film beschäftigt uns eine Weile, doch wird diese Vereinnahmung unserer Gedanken wie von selbst nach einigen Stunden (schlimmstenfalls Tagen) nachlassen. Wenn wir uns waschen, das heisst, uns ganz bewusst davon lösen und wieder vermehrt dem Herrn zuwenden, sind wir wieder rein. Auch dieser Zusammenhang zeigt klar, dass es nicht um Sünde geht, sondern «nur» um eine vorübergehende Störung der Gemeinschaft.

Viele Christen befleissigen sich, nicht zu sündigen. Das ist gut und notwendig, aber es ist noch nicht der beste Weg. Mir ist durchaus bewusst, dass man genug daran zu tragen haben kann, nicht zu sündigen, 2 denn wir alle straucheln oft Jak 3, 2. Aber auch wenn jemand sich von jeder Form der Sünde enthalten könnte – was als Ding der Unmöglichkeit zu bezeichnen ist –, kann er etwas verpassen und nur den zweitbesten Weg gehen. Denn was der Herr sucht, ist die ständige, innige Verbundenheit mit Ihm. Er will, dass wir unser Leben völlig mit Ihm teilen, dass wir Ihm nahe sind, dass wir auf Seine Stimme hören, uns mit Ihm selbst beschäftigen, gleichsam beständig zu Seinen Füssen sitzen, in ständigem Austausch mit Ihm sind. Das ist sehr viel mehr, als sich von Sünde zu enthalten. Es ist, sich in völlige Übereinstimmung mit Ihm zu bringen, von Ihm quasi völlig durchdrungen zu sein. Der Herr – gepriesen sei Sein herrliches Wesen! – will uns so nahe zu sich bringen, dass sich jede noch so kleine Ablenkung als überaus lästige Störung auswirken kann. Wer einmal eine Zeit lang so völlig in Seiner Gegenwart verbringen durfte, wer in den Genuss der damit verbundenen Segnungen gekommen ist, der empfindet von selbst jede Ablenkung als störend, möchte, wenn er sich ablenken liess, von selbst wieder zurück in diese innige Verbundenheit gelangen. Dem Herrn so nahe zu sein, ist so viel mehr als uns jede irdische Freude bieten kann!

Wer das erfahren hat, der kann das ohne Weiteres nachvollziehen. Wer es nicht erfahren hat, wird mit diesen Ausführungen nicht viel anfangen können, fürchte ich. Meine Hoffnung ist aber, dass dieser Artikel doch eine kleine Hilfestellung für jene sein kann, die diese innige Verbundenheit noch nicht kennen, oder sich nicht bewusst sind, dass jede Ablenkung die Gemeinschaft stören kann, auch wenn sie nicht Sünde ist. Ja, der Herr will alles von uns, will uns ganz und gar für sich haben – und das zu unserem Besten! Es ist genauso unser Wunsch, wie es Sein Wunsch ist, nur ist uns das vielleicht nicht immer bewusst. Mögen möglichst viele Geschwister eine angemessene Wertschätzung für diese innige Verbundenheit entwickeln und ihr Leben in beständiger Gemeinschaft mit dem Herrn verbringen! Welch Segen wird das für sie und alle um sie herum sein!