Wo stehen wir?
Einleitung
Es wurde schon oft betont, dass das Leben eines Christen zielgerichtet, zweckgerichtet ist. Im Gegensatz zu anderen Menschen suchen sich Christen keinen eigenen Sinn oder Zweck für ihr Leben aus, und sie leben auch nicht einfach so dahin. Nein, Christen haben klar definierte Aufgaben. So sollen sie beispielweise ihren Nächsten das Evangelium predigen, den Weg zum Heil aufzeigen. Als Priester sollen sie für ihre Nächsten mit Beten und Flehen einstehen, sich für ihre Nächsten vor dem Herrn verwenden. Ihren gesellschaftlichen Verantwortlichkeiten sollen die Christen ebenfalls tadellos nachkommen. Sie sollen gegebenenfalls ihre Ehe zur Ehre des Herrn führen und ihre Kinder in der Furcht des Herrn erziehen. Ihre Arbeit sollen sie gewissenhaft und fleissig erledigen, den Pflichten ihrer Gemeinde und ihres Landes nachkommen. Gleichzeitig befinden sich Christen zeitlebens in der Schule Gottes. Das Ziel ist es, immer mehr in völliger Übereinstimmung mit dem Wesen Gottes zu sein, Ihn stets besser zu widerspiegeln, Seine Wesenszüge im eigenen Leben zu offenbaren. So sehr wir auch Individuen mit eigenen Charaktern bleiben werden und bleiben sollen, so wichtig ist es auch, in Bezug auf Heiligkeit, Gerechtigkeit, Demut und so weiter dem Herrn völlig zu entsprechen. Wenn der Herr wiederkommt oder uns durch den Tod zu sich nimmt, erwartet Er mit anderen Worten, dass wir einen gewissen Zustand erreicht haben bzw. uns in einem solchen befinden.
Nun gibt es in weltlichen Schulen unterschiedliche Lehrer. Einige zeigen klar auf, was sie von den Schülern bis wann erwarten. Ist der bestimmte Zeitpunkt gekommen, wird das Geforderte abgefragt und bewertet, ob die Schüler gelernt haben, was ihnen aufgetragen wurde. Andere Lehrer lassen die Schüler mehr im Ungewissen über die Lernziele und stellen dann Fragen, über die die Schüler – positiv oder negativ – überrascht sind. Wieder andere geben praktisch keine Lernziele vor und fragen nicht im eigentlichen Sinne Wissen ab, sondern wollen beispielsweise erproben, ob die Schüler fähig sind, selbständig zu denken. Jede Art, zu unterrichten und abzufragen, hat ihre Vor- und Nachteile. Für gewisse Fächer kann eine Art den anderen vorzuziehen sein, für andere Fächer eine andere. So oder anders ist es aber stets die fairste Vorgehensweise, klar zu kommunizieren, was erwartet wird (und wenn es «nur» die Fähigkeit zu eigenständigem Denken ist) und dann entsprechend abzufragen. Die Schüler im Ungewissen darüber zu lassen, was von ihnen erwartet wird, ist dagegen unfair und auch nicht zielführend – die Schüler können sich ja gar nicht auf ein gewisses Ziel hin vorbereiten bzw. auf ein gewisses Ziel hin arbeiten.
In der Schule Gottes wird uns ganz klar kommuniziert, was von uns erwartet wird, in welchem Zustand wir uns befinden sollen. Die Lernziele sind klar und eindeutig. Wir finden sie in der Bibel niedergeschrieben. Einiges wurde oben beispielhaft erwähnt. Es braucht nicht betont zu werden, dass dieses Vorgehen von Seiten des Herrn äusserst fair ist. Er lässt uns nicht im Ungewissen darüber, was von uns erwartet wird, sondern teilt es uns in leicht verständlicher Weise mit. Damit aber nicht genug: Im ersten Brief des Apostels Johannes finden sich drei einfache Instrumente, anhand derer wir unseren aktuellen Lernfortschritt kritisch hinterfragen können. Messen wir uns damit selbst, stellen wir rasch fest, ob wir nach wie vor auf das Ziel zusteuern und wie weit wir bereits ungefähr gekommen sind. Das macht es uns wesentlich leichter, weiter auf das Ziel zuzustreben.
Licht
Das erste Messinstrument ist Licht. Wo Gott ist, ist Licht; Er ist Licht, das wahre Licht. Wenn wir dieses Licht nicht ertragen, wenn wir die Finsternis suchen, dann sind wir nicht in Ordnung, wie geschrieben steht:
5 Und dies ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkündigen: dass Gott Licht ist und gar keine Finsternis in ihm ist. 6 Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben, und wandeln in der Finsternis, so lügen wir und tun nicht die Wahrheit. 7 Wenn wir aber in dem Licht wandeln, wie er in dem Licht ist, so haben wir Gemeinschaft miteinander, und das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde. 1. Joh 1, 5–7
Im Licht bleibt nichts verborgen, alles ist offenbar. Was im Allgemeinen gilt, gilt im Besonderen auch in Bezug auf unser Leben. Wenn wir das Licht Gottes in unser Leben leuchten lassen, dann wird es nicht einfach nur schön hell, sondern dann wird alles in uns ausgeleuchtet – auch und insbesondere Unangenehmes. Im Lichte Gottes wird schnell offenbar, wie es um uns bestellt ist. Das gilt in mehrerlei Hinsicht: Das Wort Gottes kann uns von Sünde überführen. Wir suchen die Gemeinschaft mit dem Herrn, lesen in der Bibel und stellen fest, dass dieses oder jenes keineswegs Seine Zustimmung finden kann. Es kann aber auch sein, dass wir, wenn wir uns bewusst machen, dass der Herr gegenwärtig ist und sieht, was wir tun, denken und fühlen, gewisse Dinge, die wir zuvor mit Selbstverständlichkeit taten, nicht mehr tun können, weil wir uns in Seinem Licht dafür schämen. Es kann aber auch sein, dass wir einen Blick Seiner Vollkommenheit erhaschen und im Vergleich dazu feststellen müssen, wie wenig wir Ihm in einem bestimmten Punkt entsprechen. Wenn wir uns entfernt von Ihm in der Finsternis oder im Halbschatten aufhalten, ist vieles möglich, das im hellen Licht nicht toleriert würde. Wenn wir ins Licht treten wollen, wird das offenbar und muss gelassen werden, sonst wird der Aufenthalt im Licht schier unerträglich.
Der Herr Jesus sagte einmal: 20 Denn jeder, der Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht zu dem Licht, damit seine Werke nicht blossgestellt werden
Joh 3, 20. Damit ist eigentlich bereits alles gesagt, was es zu diesem Thema zu sagen gibt. Im hellen Licht kann nicht Böses getan werden; mit jemandem, der Böses tut, könnte Gott nie Gemeinschaft haben. Entweder tun wir weiterhin, was eigentlich nicht Gottes Zustimmung finden kann, oder wir kommen ins Licht. Im Licht können wir nicht tun, was uns gerade in den Sinn kommt, sondern nur, was im Licht schicklich und angemessen ist. Zu uns in die Finsternis wird der Herr aber umgekehrt nie kommen. Er ist und bleibt Licht, weshalb es an uns liegt, uns zu entscheiden, ob wir lieber in der Finsternis bleiben oder ins Licht kommen wollen.
Liebe Geschwister! Lasst euch nicht entmutigen, wenn ihr die Gemeinschaft mit dem Herrn sucht und vermeintlich nur Tadel empfangt! Es kann sein, dass der Herr zuallererst Seinen Finger auf diverse wunde Punkte legen muss, bevor Er uns ganz in Seine Nähe kommen lassen und sich uns mehr offenbaren kann. Er wird über das, was uns von Ihm trennt, nie hinwegsehen, weshalb zuerst Ordnung in unserem Leben geschafft werden muss, bevor wir innige Gemeinschaft mit Ihm haben können. Das hat nichts mit der Errettung zu tun, sondern damit, ob es passend ist, dass wir uns im Licht befinden oder nicht. So demütigend es auch sein kann, auf verschiedene wunde Punkte hingewiesen zu werden, so schwer es uns auch fallen mag, uns von bestimmten Gewohnheiten zu trennen, so sehr lohnt es sich, sich in diesen Punkten dem Willen des Herrn zu beugen. Was wir danach finden werden, ist weit kostbarer – so kostbar, dass uns alles andere, was uns vorher so wichtig war, wie Dreck erscheinen wird. Die innige Gemeinschaft mit dem Herrn entspricht unserem Herzenswunsch, denn wir wurden für diese Gemeinschaft geschaffen. Ist es denn nicht auch so, dass wir beispielsweise einen Abend mit einem Freund oder mit der Frau, die wir lieben, jeder anderen Aktivität vorziehen würden? Blicken wir nicht lieber auf einen solchen Abend mit intensiver Gemeinschaft, mit dem Austausch von Gedanken und Gefühlen, zurück als auf einen Abend vor dem Fernseher oder dem Computer?
Halten der Gebote
Der Herr Jesus hat uns vom Fluch des Gesetzes befreit. Das bedeutet, dass wir nicht durch Tun gewisser Dinge und Lassen anderer gewisser Dinge unsere Errettung erarbeiten müssen. Wir werden nicht vor dem zweiten Tod, der ewigen Verdammnis im Feuersee, bewahrt, weil wir anständig und gerecht sind, sondern weil der Herr Jesus uns aus freier Gnade davor errettet hat. Stehen wir als Christen nun in einem «rechtsfreien» Raum? Mitnichten! Gerade, weil der Himmlische Vater uns in Seinem Sohn alles geschenkt hat, gerade, weil wir aus freier Gnade errettet und gewissermassen adoptiert wurden, wollen wir uns an dem orientieren, was dem Herrn gefällt und was nicht! Je besser wir ihn kennenlernen, desto tiefer wird auch das Bewusstsein, dass Er es mit allem, was Er anordnet, gut mit uns meint, dass alles zu unserem Besten niedergeschrieben wurde, und nichts, um uns einfach so zusätzlich zu belasten oder unsere Freude zu trüben. Auch dies ist ein Grund, sich an das zu halten, was Er geboten hat. So verstehen wir, was gemeint ist, wenn geschrieben steht:
3 Und hieran wissen wir, dass wir ihn kennen, wenn wir seine Gebote halten. 4 Wer sagt: Ich kenne ihn, und hält seine Gebote nicht, ist ein Lügner, und in diesem ist die Wahrheit nicht. 5 Wer aber irgend sein Wort hält, in diesem ist wahrhaftig die Liebe Gottes vollendet. Hieran wissen wir, dass wir in ihm sind. 6 Wer sagt, dass er in ihm bleibe, ist schuldig, selbst auch so zu wandeln, wie er gewandelt ist. 7 Geliebte, nicht ein neues Gebot schreibe ich euch, sondern ein altes Gebot, das ihr von Anfang an hattet. Das alte Gebot ist das Wort, das ihr gehört habt. 8 Wiederum schreibe ich euch ein neues Gebot, das, was wahr ist in ihm und in euch, weil die Finsternis vergeht und das wahrhaftige Licht schon leuchtet. 9 Wer sagt, dass er in dem Licht sei, und hasst seinen Bruder, ist in der Finsternis bis jetzt. 10 Wer seinen Bruder liebt, bleibt in dem Licht, und kein Ärgernis ist in ihm. 11 Wer aber seinen Bruder hasst, ist in der Finsternis und wandelt in der Finsternis und weiss nicht, wohin er geht, weil die Finsternis seine Augen verblendet hat. 1. Joh 2, 3–11
Der Herr Jesus sagte: 15 Wenn ihr mich liebt, so haltet meine Gebote
Joh 14, 15. Wir können die Liebe zum Herrn nicht vom Halten der Gebote trennen, nicht das eine gegen das andere ausspielen. Beides ist untrennbar miteinander verbunden – wer den Herrn liebt, hält Seine Gebote, wer Seine Gebote nicht hält, liebt Ihn nicht. Wenn meine Frau mir sagt, ich solle dieses und jenes lassen, und ich tue es trotzdem, obwohl ich weiss, dass es ihr Herz betrübt, liebe ich sie etwa? Es mag in der Ehe und in Freundschaften Konstellationen geben, wo es nicht angezeigt ist, genau das zu tun, was das Gegenüber sagt – in Bezug auf Gott gibt es solche Konstellationen nie. Lieben wir Ihn? Dann halten wir Seine Gebote! Jede Abweichung davon ist Eigenliebe und mangelnde Liebe Ihm gegenüber.
Gerechtigkeit
Beim Herrn ist alles Vollkommenheit. Es gibt unzählige Aspekte dieser Vollkommenheit, und es erfreut stets das Herz, wenn ein weiterer Aspekt erkannt wird. Vielleicht haben wir in gewissen Bereichen Vorbilder, die wir bewundern – exzellente Lehrer, tapfere Helden, liebende Ehemänner, fürsorgliche Väter usw. – Christus übertrifft jeden Einzelnen in dessen Parededisziplin um ein Vielfaches. Wenn wir Joscheb-Baschebet bewundern, der achthundert Mann auf einmal erschlagen hat (2. Sam 23, 8) – Christus ist ein weit besserer Kriegsheld. Wenn wir die Weisheit Salomos bewundern – Christus ist weit weiser. Sogar Dinge, die uns unmöglich vereinbar erscheinen, vermag der Herr zu vereinen. So steht beispielsweise geschrieben: 11 Güte und Wahrheit sind sich begegnet, Gerechtigkeit und Frieden haben sich geküsst
Ps 85, 11. Können Güte, Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden in vollendeter Weise miteinander vereinbart werden? Das scheint uns nicht möglich. Wie kann man beispielsweise einem Ungerechten vollkommene Güte erweisen, aber gleichzeitig wahrhaftig und gerecht sein? Ein Ding der Unmöglichkeit für einen Menschen! Der Herr kann es aber. Er begnadigt Ungerechte – uns! –, ist dabei aber wahrhaftig und gerecht.
Gerade der Aspekt der vollkommenen Gerechtigkeit des Herrn wird unter Christen wenig betont. Weil so vieles – eigentlich alles – Gnade von Seiten des Herrn ist, und weil Gnade und Gerechtigkeit in unseren Augen nicht zusammen passen, fällt es uns schwer, gleichzeitig Seine Gnade und Seine Gerechtigkeit hochzuhalten. In christlichen Abhandlungen nimmt die Gerechtigkeit Gottes – ausgenommen gegenüber Sündern – nur wenig Raum ein. Nicht wenige Christen könnten wohl keine biblisch fundierte Antwort auf die Frage, ob der Herr bei den Seinen Gerechtigkeit walten lässt und, falls ja, in welcher Weise, geben. Natürlich gibt es gewisse Fragen, auf die wir lange oder vielleicht sogar zeitlebens keine befriedigende Antwort finden, aber die Wahrheit, dass der Herr durch und durch gerecht ist und in jeglicher Hinsicht vollkommene Gerechtigkeit walten lässt, ist hochzuhalten. Es steht geschrieben:
29 Wenn ihr wisst, dass er gerecht ist, so erkennt, dass jeder, der die Gerechtigkeit tut, aus ihm geboren ist. 4 Jeder, der die Sünde tut, tut auch die Gesetzlosigkeit, und die Sünde ist die Gesetzlosigkeit. 5 Und ihr wisst, dass er offenbart worden ist, damit er unsere Sünden wegnehme; und Sünde ist nicht in ihm. 6 Jeder, der in ihm bleibt, sündigt nicht; jeder, der sündigt, hat ihn nicht gesehen noch ihn erkannt. 7 Kinder, dass euch niemand verführe! Wer die Gerechtigkeit tut, ist gerecht, wie er gerecht ist. 8 Wer die Sünde tut, ist aus dem Teufel, denn der Teufel sündigt von Anfang an. Hierzu ist der Sohn Gottes offenbart worden, damit er die Werke des Teufels vernichte. 9 Jeder, der aus Gott geboren ist, tut nicht Sünde, denn sein Same bleibt in ihm; und er kann nicht sündigen, weil er aus Gott geboren ist. 10 Hieran sind die Kinder Gottes und die Kinder des Teufels offenbar. Jeder, der nicht Gerechtigkeit tut, ist nicht aus Gott, und wer nicht seinen Bruder liebt. 1. Joh 2, 29. 3. 4–10
Wie steht es diesbezüglich um uns? Sind wir betreffend Gerechtigkeit und Sündlosigkeit in Übereinstimmung mit Gott? Sind wir gerecht, meiden wir die Sünde? In Sünde zu sein, die Sünde zu tun, ist eine Geringschätzung dessen, was Er für uns getan hat, denn Er ist offenbart worden, um unsere Sünden wegzunehmen. Es widerspricht auch zu 100 % Seinem Wesen, denn Er ist absolut gerecht und weit weg von jeder Form der Sünde.
Hier wird offenbar, dass sich die drei Messinstrumente – Licht, Halten der Gebote und Gerechtigkeit – nicht gänzlich voneinander trennen lassen. Ungerechtigkeit lässt sich nicht mit Licht vereinen und schliesst per se das Halten der Gebote aus. Dennoch ist es notwendig, nicht nur Licht und Halten der Gebote zu nennen, sondern auch Gerechtigkeit. Der zentrale Punkt ist bei allen drei Messinstrumenten ein verschiedener, auch wenn sich die Ränder nicht scharf trennen lassen. Denken wir nur an die Pharisäer, die Meister im Halten der Gebote waren und sogar ihre Küchenkräuter verzehnteten, dabei aber Barmherzigkeit und Gerechtigkeit völlig aus den Augen verloren hatten. Die Gebote können in unbarmherziger und ungerechter Weise gehalten werden, nämlich oberflächlich, ohne Blick für den tieferen Sinn dahinter. Wenn wir uns fragen, ob wir gerecht sind, dann fragen wir nach den tieferen Beweggründen, umgangssprachlich nach dem Herz. Da geht es darum, sich zu vergewissern, ob man in den ganz grundsätzlichen Grundzügen in Übereinstimmung mit dem Wesen Gottes ist. Wenn wir uns fragen, ob wir die Gebote halten, beschäftigen wir uns nicht nur mit dem Blick aufs «grosse Ganze», sondern gehen tendenziell eher auch Kleinigkeiten auf den Grund. Ein Beispiel: Wenn ich mich unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit prüfen will, frage ich mich beispielsweise, ob mein Umgang mit den Geschwistern im Herrn korrekt ist, ob ich ihnen ein rechter Bruder und auch in schwierigen Situationen gerecht bin, also etwa weder vorschnell urteile noch Sünde bagatellisiere. Wenn ich mich unter dem Gesichtspunkt des Haltens der Gebote prüfen will, achte ich dagegen beispielsweise darauf, ob ich den Hut ausziehe, wenn ich am Tisch des Herrn sitze und vom Brot und Wein nehme. Das sind zwei verschiedene Gesichtspunkte, die teilweise ineinander übergehen, wenn man andere Beispiele wählt, aber beides ist wichtig und es ist nicht so, dass das eine das andere ausschliesst. Wenn ich im Umgang mit den Geschwistern ein Vorbild für alle anderen bin, heisst das nicht, dass ich den Hut tragen darf, wenn ich vom Brot und Wein nehme, und wenn ich den Hut artig abnehme, heisst das nicht, dass ich mich den anderen gegenüber hartherzig verhalten darf.
Schlussfolgerungen
Vielleicht die wesentlichste Erkenntnis ist, dass von uns nicht ein bestimmter Wissensstand erwartet wird, sondern ein Zustand. Um ein «guter Christ» zu sein, muss man nicht sehr viel wissen, aber sich in einem Zustand befinden bzw. ein Verhalten an den Tag legen, das jenes der anderen Menschen in jeder Hinsicht bei Weitem übertrifft. Die wesentlichen Gebote zu lernen und sich zu merken, ist nicht allzu viel Arbeit. Aber sie zu halten, im Licht zu sein und gerecht zu sein, das ist viel Arbeit, die uns viel abverlangt. Das Wort des Herrn ist diesbezüglich aber ganz klar: Das alles wird von uns erwartet. Daran gibt es nichts zu rütteln.
Nun ermöglichen uns die drei genannten Messinstrumente, zu prüfen, ob unser Ist-Zustand im Wesentlichen mit dem Soll-Zustand übereinstimmt. Wer aufrichtig ist, kann sich unter diesen drei Gesichtspunkten einfach und treffend prüfen; so wird Handlungsbedarf rasch erkannt. Selbstverständlich genügt es nicht, jetzt einmal oder kurz vor dem Tod oder der Wiederkunft des Herrn den Zustand zu prüfen und eine allfällige Korrektur vorzunehmen. Vielmehr muss unser Leben gesamthaft in diesem Zustand sein, also von jetzt an bis zum Ende. Das heisst, es muss regelmässig gemessen werden. Dann müssen wir uns zusammenfassend fragen, ob wir in einem bestimmten Zeitraum zu 10 %, zu 30 % oder zu 90 % dem entsprochen haben, was von uns erwartet wird. Je nachdem besteht intensiver oder intensiverer Lernbedarf. Gepriesen sei der Herr, der uns also einfache, leicht anzuwendende und viel aussagende Messinstrumente zur Verfügung stellt, anhand derer wir unseren Fortschritt im Glauben zuverlässig prüfen können! Wenden wir diese Instrumente auch regelmässig an! Amen.